Angefangen am: 28.11.2022; Verfasser: Franz Horn; (Entwurf)
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Im Eichwald des Mallobaudes

Von Nebelschleiern über der frühen Geschichte des Westerwaldes
Ein Artikel über den Ortsnamen Malmeneich und dessen eventuelle überregionale Bedeutung

Inhaltsverzeichnis:

1. Vorbemerkungen

Zusatzbemerkungen I

2. Der Artikel von Norbert Horn

Zusatzbemerkungen II

3. Kapitel III

Zusatzbemerkungen III

4. Der Westerwald ...als wir Germanen waren

Leseprobe eines Buches über den Westerwald in der Zeit von 55 vC bis 500 nC


 Überschrift Kapitel I.

 
Zusatzbemerkungen Kapitel I.
Text Kapitel I.


 Der Artikel von Norbert Horn

 
Im Eichwald des Mallobaudes
VON NEBELSCHLEIERN ÜBER DER FRÜHEM GESCHICHTE DES WESTERWALDES

  Wenn man die vier Festpunkte des Jahres, des Ortes, der Person und der Sache verlangt, dann bewegt sich das Wissen von dem ehemaligen Geschehen auf dem Heimatboden erst seit dem Reichsbau Karls des Großen auf einzelnen festen Trittsteinen. Was sich dagegen weiter rückwärts bis zu dem Feuerschein in den Schutzhöhlen an der Lahn dort ereignet hat, bleibt für immer auf den Vorstufen der echten Geschichte liegen und ist sogar mit Ausnahme jener Spuren, die der Römer etwas deutlicher hinterlassen hat, vielfach kaum noch in den gröbsten Umrissen erkennbar. Trotzdem späht die Forschung schon lange mit ihrer unstillbaren Sehnsucht nach letzter Klarheit aus verschiedenen Toren in die rätselhaften Bereiche hinein und tastet ohne Unterlaß nach den überwachsenen Ufermarken für den Lauf verschütteter Daseinsströme.
  Es ist nun ganz gleich, welche Richtschnur einem derartigen Beginnen gezogen wird, Gottesbegriff oder Kunstsinn, das Erlebnis des Kampfes oder die Form der Gemeinschaft, wirtschaftliches Streben oder technisches Können: Stets schiebt sich dabei allein jene Spanne, die dem Schicksal der Franken zugemessen wird, unmittelbar an den Webstuhl der Urkunden heran. Hier liegt also ein zeitliches Brückenland ausgebreitet, und außer der Gunst größtmöglicher Nähe wird auch die Werbekraft des Gedankens wirksam, über Gräber und Siedlungsspuren hinweg den Anschluß an das Erbe des antiken Schrifttums zu erreichen. Welch gewundene und verschlungene Pfade dabei auf ihre Gangbarkeit hin zu überprüfen sind, ergibt sich sehr einprägsam aus der Möglichkeit, daß das Dorf Malmeneich am nordwestlichen Rande des Limburger Beckens für eine Aussage über das Gebiet, das der fränkische König Mallobaudes beim Beginn des Hunnensturms beherrscht, in Betracht gezogen wird.
  Die Schreibweise dieses Ortsnamens, die nicht unbedingt den jeweiligen Sprachklang genau festhalten muß, ist mit dem Namen Malmen Eych des Jahres 1502 nur wenig von der Gegenwart getrennt, offenbart dann durch Malbodeneych, Maleroydeneich, Malbeneyche, Waelboden Eych und Mailwideneiche während des fünfzehnten Jahrhunderts eine wuchernde Vielfalt, kennt rückwärts zwischen 1340 und 1290 noch Molendekeneyche, Malbodineich sowie Mailbodineyg und liefet mit einem Madelbodeneich uni 1225 ihr frühestes Muster. Selbstverständlich ist damit zu rechnen, daß die Urkunden des Mittelalters, die ja nur mit einem Bruchteil ihres Bestandes heute noch vorhanden sind, auch sonstige Formen noch gekannt haben. Aber es ist kaum ein Zweifel daran zulässig, daß ein Mann und ein Baum die beiden Paten des Ortes gewesen sind. Anders deutbare Gebilde in der erhaltenen Reihenfolge werden durch mangelhafte Kenntnis der Mundart in den Schreibstuben entstanden sein, und einzig der Seitensprung, den das Waelboeden Eych des Jahres 1423 macht, verdient eine größere Aufmerksamkeit.
  Bei dieser Niederschrift scheint man nämlich an jenes Geschlecht gedacht zu haben, das sich als Waltbote von Waldmannshausen bezeichnet und noch in der späten Stauferzeit zum mittelrheinischen Hochadel gehört. Sein Familienname knüpft an ein Bündel öffentlicher Aufgaben bei der Rechtspflege, dem Sicherheitsdienst und dem Kriegswesen und die Richtstrahlen seiner Gewalt erfassen nicht nur den alten Siedlungsboden zwischen Lahn und Lasterbach, sondern ziehen auch von der engen Burg in einem Wassergürtel am Elbbach nach dem Kranz der jüngeren Orte im gerodeten Bergwald. Der Einsatz für die Belange des Staates wird mit manchem Anteil an Zehnt und Zoll, Land und Leuten, Gefällen und Gebühren abgegolten, und dieses buntgescheckte Amtslehn, das die Sippe mit dem acht- oder zwölffach geständerten Wappenschild seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts ihrem Namen einpaßt, hat vielleicht um die gleiche Zeit durch die Grafen von Diez zusammen mit dem Aufbau der Zehntbezirke seine bekannte Gestalt zu erhalten. Aber der Ursprung ist bestimmt in einem weit früheren Zeitalter zu suchen, weil sich die Burg Waldmannshausen durch ihr Taufwort schon zu Beginn des zwölften Jahrhunderts deutlich als ein Stützpunkt der Staatsgewalt ausweist. Es ist sogar möglich, das die Waltboten anfangs den Gaugrafen nicht untergeben sondern für bestimmte Aufgaben beigeordnet sind. Der Gedanke an eine Wirksamkeit, wie sie die fränkischen Königsboten ausgeübt haben, liegt dann nicht allzu fern. In dem Waelboeden Eych, wo ein Drittel des Zolles den Herrn von Waldmannshausen gehört, mag also eine späte Erinnerung an die ehemaligen Zustände bei dem Umformen geschlossener Waldgebiete aufblitzen ohne natürlich dem wirklichen Namen gerecht zu werden.
  Genaugenommen verschwindet mit der ältesten Jahreszahl die Vergangenheit Malmeneichs, das also in einem Eichenwald eines Malbodo entstanden ist, aus dem Gesichtskreis der Gegenwart, und nur dann, wenn man das Dorf in eine Gesamtschau seines Kirchspiels Hundsangen hineinstellt, so wird der Nebelschleier noch einmal etwas lichter. Diese Gemeinschaft im Schutze des heiligen St. Goar, die im Jahre 1329 bereits aus dem Mantel der Stiftpfarrei Dietkirchen herausgetreten ist, lehnt sich räumlich unmittelbar an den Nordflügel des Limburger Beckens an und ist daher folgerichtig in weltlicher Hinsicht den Inhabern des Niederlahngaues und ihren Nachfolgern zu Diez in Obhut gegeben. Das Gebiet zu beiden Seiten des Flusses, das durch die Pflicht der Rechtspflege auf die Dingstätte im Reckenforst umhegt wird, stellt jedoch keine geschlossene Einheit dar. Zu allen Zeiten nagen Vogteien anderer Geschlechter über Besitztümer der Geistlichkeit oder über Siedler auf einstigem Kronland sowie das Sonderstreben adeliger Freigüter an seinem verzahnten Außensaum oder bilden innerhalb der Grenzen unvemarbte Schnittlinien, und auch dem Gebiet um Hundsangen ist in der Goldenen Grafschaft eine solche Rolle beschieden gewesen.
  Nach verschiedenen Urkunden aus dem vierzehnten Jahrhundert verfügt das Haus Katzenelnbogen über das Patronat der Kirche des heiligen St. Goar samt Zehnten und anderen Abgaben in Baron Hundsangen, Malmeneich, Obererbach, Oberhausen, Ruppach, Steinefrenz und Wallmerod und hat damit die Waltboten von Waldmannshausen oder je nach dem Erbgang ihre Verwandtschaft zu Dorchheim, Bassenheim, Pfaffendorf und Vallendar belehnt. Diese Ortsangaben erschließen den Umfang einer Grundherrschaft von weit höherem Alter. Ein Vogt Konrad von Hundsangen wird nämlich bereits kurz nach 1200 erwähnt und ist vermutlich mit jenem Konrad von Waldmannshausen gleichzusetzen, der um dieselbe Zeit einem Tauschvertrag zwischen seinem Vater Ernst und der Abtei Eberbach zustimmt. Der Ursprung der Vogtei ist nicht mehr eindeutig festzustellen. Da Katzenelnbogen im Jahre 1096 Güter zu Hundsangen an die Abtei Siegburg verkauft hat, so kann die Keimzelle in diesem Vorgang zu suchen sein. Andererseits besteht aber die Möglichkeit, daß sich Besitz des Stiftes zu St. Goar oder sogar seines Mutterklosters Prüm in der Gegend befunden und die Grundlage für eine Schirmherrschaft gebildet hat. Jedenfalls hat sich hier wie auch in der anderen Vogtei Katzenelnbogen zu Niedertiefenbach schon früh alle Spuren verwischt, und es muß daher offenbleiben, welchen Weg die Grundherrschaft vor ihrem zeitweiligen Übergang in geistlichen Besitz genommen hat. Seit der Neige des elften Jahrhunderts liegt daher über dem Kirchspiel Hundsangen das Zwielicht der allgemeinen Siedlungsgeschichte des Westerwaldes.
  Nun tauchen wie immer, wenn die schriftlichen Quellen spärlich werden und schließlich ganz austrocknen, die schwierigen Fragen in ganzen Bündeln auf. Obwohl sich bei dem Hochadel noch für längere Zeit wenigstens die morschen Gerippe lückenhafter Stammbäume zusammensetzen lassen, so sind doch Herkunft und Blutlinie jener Geschlechter, die später aus ihren Burgen zu Molsberg und Merenberg, Westerburg und Waldmannshausen, Dorndorf und Dehm sowie vielen anderen Stützpunkten mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen in die weite drängen, von einer gewissen Zeit ab in ungewisses Dunkel gehüllt, so fehlt für die umfangreiche Gruppe der Edelleute, die im Jahre 959 unter den Namen Adalgaud, Adelbert, Alberich, Anno, Arnulf, Engilrich, Folcnand, Fulbert, Gerich, Gilbert, Giso, Godebert, Gunt.ram, Hegizo, Hemestus, Hezzo, Liubert, Liuderich, Nizo, Rathold, Reginbald, Ruodbert, Ruozo, Salego und Werinher als Zeugen für die Grenzen des Zehntbezirks Humbach bei Montabaur antreten, jeder Anschluß nach vorwärts oder rückwärts. Nur zum geringsten Teil wird es sich um Angehörige einer einstigen Oberschicht handeln, die den Druck und Sog der Wanderzeit überstanden hat. Wohl mag vereinzelt eine alte Sippe in der abgelegenen Gegend den gefräßigen Strudeln entgangen sein, aber die Mehrzahl jener Familien, die aus der Masse des Bauemtums emporragen, ist erst bei der fränkischen Landnahme im Auftrage des Königs in dem Waldgebirge bodenständig geworden.
  Bei den ersten Grundherren, die ihren Namen hinterlassen haben, werden daher sofort die fremden Wurzeln sichtbar. Der Bruder jener Edelfrau Rachilde, die im Jahre 772 über Güter in Ahlbach, Dorndorf, Heuchelheim, und Nieder- und Oberweyer verfügt, waltet als Graf in dem Gebiet um Wetzlar, und die beiden Rimistein, die um 800 ihren Besitz in Niederzeuzheim und Frickhofen der Abtei Fulda schenken, haben ihre Heimat in Lothringen. Die Sippe des Grafen Gebhard aus dem Hause der Konradiner, der den Niederlahngau verwaltet und im Jahre 879 das Stift des heiligen Severus in Gemünden gründet, hat sogar an der fernen Loire Stammgüter liegen. In die gleiche Richtung verweist die Tatsache, daß vielleicht mit der einzigen Ausnahme Isenburgs kein einziges Geschlecht. das später an das Endziel der Landeshoheit gelangt ursprünglich den Schwerpunkt seiner Macht innerhalb des Westerwaldes besitzt.. Wenn die spärlichen Spuren richtig gedeutet sind, so kommen Wied und Katzenelnbogen vom Mittelrhein, Diez aus Rheinhessen, Nassau aus dem Siegerland und Sayn vom Niederrhein in ihre mittelalterlichen Bereiche hinein, und auch diese Gegenden können schon einen Umweg darstellen.
  Im Gegensatz zu der landfremden Herkunft des Hochadels und seiner unmittelbaren Gefolgsleute ist eine größere Bodentreue der Unterschicht im höchsten Grade wahrscheinlich und spiegelt sich wenigstens ungefähr in einer Übersicht verschiedener Arten der Ortsnamen wider. Wenn man nämlich jene Wohnplätze. die erst verhältnismäßig spät auf gerodeten Waldflächen entstehen. sowie die immer möglichen Bach- und Bergorte ausscheidet, so bleiben im wesentlichen zwei bedeutsame Gruppen zurück.
  Davon sind wohl alle Siedlungen die mit Heim, Hof und Dorf bezeichnet werden oder wie Fussingen und Freilingen enden, vom sechsten bis neunten Jahrhundert in mehreren Anläufen und mit dem doppelten Schwerpunkt im rheinischen Randsaum und im Limburger Becken durch die Franken gegründet worden. Ob freilich in den Schlußsilben auch Unterschiede des Blutes, der Wirtschaftsweise, der Aufgabe oder des Ranges zum Ausdruck gebracht werden, ist nicht mehr zu erkennen. Aber hier kann man wenigstens noch einen Teilsinn herausfinden, was bei der zweiten Gruppe, deren Namen oft durch ihr höheres Alter völlig verschliffen sind, kaum noch der Fall ist. In diesem Bereich haben sich ganz einfachen Formen wie Elz, Halbs, Höhn, Meudt und Salz herausgebildet, auf ähnlicher Ebene liegen etwa Boden, Daaden, Eisen, Mörlen, Norken und Steeden, und auch die Orte mit einem "ar" als Abschluß wahren hartnäckig ihr letztes Geheimnis. Bestimmt handelt es sich dabei jedoch um Worte, die von einem vorfränkischen Grundstock der Bevölkerung geprägt worden sind und daher ihren Fortbestand in vielleicht etwas engerem Rahmen glaubwürdig machen.
  Aus dem Namen Malmeneichs dagegen läßt sich nicht ablesen, welchem Abschnitt der Siedlungstätigkeit as Dorf beizuzählen ist. An sich kann ein Baum auf urbar gemachten Wald hindeuten, aber es ist überhaupt nicht ganz sicher, ob die erste Anlage bereits mit der Grundherrschaft Hundsangen, die überwiegend unter dem Zeichen der Rodaxt steht, verknüpft gewesen ist. Während das kirchliche Band schon 1379 bezeugt ist, bleibt das dortige Gericht noch sehr viel später nur für einen Teil des Dorfes zuständig, und die restliche Einwohnerschaft zur Zehnt Dehrn im altbesiedelten Land. Die Ortschaft ist also über eine Nahtstelle hinausgewachsen, und damit hängt vielleicht auch zusammen, daß hier auf der Grenzscheide an einer wichtigen Straße durch den Westerwald eine Zollstätte, von der die Waltbote von Waldmannshausen im Jahre 1305 ein Drittel des Ertrages gegen die Ansprüche des Grafen von Diez verteidigen, eingerichtet worden. Ob jedoch diese Verkehrslinie, die in ihrem Gesamtverlauf Frankfurt und Köln verbindet, das Entstehen des Ortes beeinflußt hat, ist nicht unbedingt zu bejahen.
  Man soll überhaupt die Bedeutung der Straßen für die Besiedlung des Berglandes nicht überschätzen. Es taucht nämlich sofort die Frage auf, welchen Sinn solche Wege über weite Strecken hinweg eigentlich gehabt haben. Von einem Bedürfnis des Verkehrs kann vor der Jahrtausendwende nur in ganz besonderen Fällen die Rede sein, weil der Großhandel seit dem Untergang der Antike keine Rolle mehr spielt und sich erst im Verlaufe des Hoclunittelalters3 wieder Raum im Wirtschaftsleben erschließt. Vorher hat das, was auf den Feldern wächst, von der Weide stammt oder aus dem Walde geholt wird, nur für den eigenen Verbrauch der Höfe und Dörfer seinen Wert. Gewiß überwiegt hier der Ackerbau und dort die Viehzucht, und handwerkliches Geschick ist nicht in alle Häuser gleichmäßig verteilt. Aber Münzen sind kaum im Umlauf, und ein etwaiger Austausch von Brotfrucht und Zugtieren, Spinnstoffen und Holzbalken, Lederriemen und Tonschüsseln vollzieht sich nicht über eine größere Entfernung. Lediglich Eisen und Salz bilden eine Ausnahme, und der Bedarf an diesen Gütern läßt sich bei der geringen Volksdichte für die meisten Gegenden leicht auf Saumpfaden für Traglasten befriedigen.
  Militärische Stoßlinien aber, die am ehesten noch unter den Merowingem an römische Leitbilder anschließen, haben den Westerwald gemieden. Höchstens an seinem Rande mag sich seit dem sechsten Jahrhundert ein Kraftstrahl nach Thüringen gezielt haben, und auch hier wirken die schroffen Steilhänge Querschnitte an der unteren Lahn bis zur Weite des Limburger Beckens als ein schwieriges Hindernis. Daher macht selbst auf dem Höhepunkt der Sachsenkriege kein fränkisches Aufgebot von nennenswerter Stärke den Versuch, die Stirnfront vom Niederrhein durch einen Angriff über das Gebirge hinweg in die Flanke des Feindes zu entlasten. Auf diesem Gelände ist nur mit Stichbahnen von wichtigen Lahnfurten her nach Norden hin zu rechnen, die mit Sappenlcöpfen nach Art der Dornburg verrammelt werden. Zwei oder gar drei Wege eng gekoppelt allein im Schatten des Heidenhäuschens sind für die schwachen Einheiten, die den Kampf im Grenzwald übernehmen, bei noch so geringem Aufwand für ihre Unterhaltung nicht nur eine kaum tragbare Arbeitslast, sondern auch von den wenigen Waffenplätzen wie etwa bei Ellar und Niedertiefenbach schwer zu überwachen und daher für die Abwehr mehr von Schaden als von Nutzen.
  Da Heerstraßen und gebahnte Wege überhaupt bei kriegerischen Ereignissen Freund wie Feind in ihren Bann ziehen, so hält sich der friedliche Siedler gern etwas abseits von ihrer unheilvollen Nähe, und solche Linien haben nur in ganz allgemeinem Sinne als Richtungsweiser für Ortsanlagen gedient. Das ältere Vorbild der B 54, die sich mehr östlich am Hang der Höhen hält, berührt daher von der Elbbrücke bei Staffel bis zur Nisterbrücke in Emmerichenhain keine einzige Ortschaft an der heutigen Straße. Ein Kerngebiet der fränkischen Landnahme, das durch Dorchheim, Gadelheim. Heuchelheim, Thalheim und die beiden Zeuzheim festgelegt ist und seine Vorposten bis Billcheim und Streitheim und vielleicht sogar nach Lochum, Pottum und Stoclaun schickt, bleibt also ziemlich abseits. Bei den dortigen Siedlern scheint es sich um die letzte Welle gehandelt zu haben. Andernfalls ist es schwer zu erklären, weshalb die Reihengräber als Kennzeichen des fränkischen Totenkultes bei den genannten Dörfern fehlen und bei den Lahnorten mit so altertümlichen Namen wie Dehm, Diez, Ems, Heimau (Löhnberg), Runkel und Steeden anzutreffen sind.
  Diese Siedlungskette ist vielleicht schon vor jener ersten Predigt des Evangeliums, die von den Ranken der Lubentiuslegende übergrünt wird, gespannt worden und gehört also einer Zeit an, da die Gliedstämme zwischen Nordsee und Mittelrhein noch ungebändigt durch den harten Chlodwig ihr eigenep Leben führten. Auf welche Weise nun eigentlich der Westerwald dem fränkischen Großraum angegliedert wird, bleibt einer genauen Rückschau entzogen. Jedenfalls sind die germanischen Gemeinschaften, mit denen Cäsar und seine Erben hier und in den benachbarten Gebieten fechten, seit dem dritten Jahrhundert plötzlich ausgelöscht. Es gibt jetzt keine Sugambrer, Tenkterer und Usipeter mehr an der Rheingrenze, und an ihre Stelle treten nun ungefähr um die gleiche Zeit, da die Alamannen den Limes überrennen, die Nictrenser. Tubanten und Usipicr. Auch diese Kleinstämmen ist keine Zukunft beschieden, und bereits im nächsten Jahrhundert sind ihre Sitze unter das Wahrzeichen des fränkischen Wurfbeils gestellt. Welche Vorgänge sich wirklich hinter dem Wechsel der Namen verbergen, bleibt eine Frage ohne Antwort. Aber eine starke Bewegtheit des Raumes ist zweifellos damit verbunden gewesen und beherrscht auch im vierten Jahrhundert eher verstärkt als abgeschwächt den Verlauf der Ereignisse.
  Nach dem Ende innerer Wirren und dem Aufbau einer neuen Wehrmacht überwindet ein römischer Gegenstoß, den der Sieg bei Straßburg einleitet, noch einmal die Stromsperre und kommt in der Anlage von Bollwerken bei Engers, Niederlahnstein und Rheinbrohl zum Ausdruck. Im Hinterland dieses Brückenkopfes, dessen Raum den ersten Rheinübergang Cäsars gesehen hat, gebietet ein Fürst Mallobaudes über die wenigen Siedlungsnester und vertreuten Weiler und hat vielleicht den gesamten Westerwald für eine fränkische Kampfgruppe mit verklungenem Namen als ein ausgedehntes Standlager benutzt. Während des wechselvollen Widerspiels, das sich in dem Kraftwirbel seiner Schwertbruder am Niederrhein, der Alamannen am Oberrhein und der Römer in Gallien vollzieht, tritt der streitbare Kriegshäuptling mit dem Königsnamen in den Dienst des Kaisers Gratian, und es ist nicht ausgeschlossen, daß sein Rang als comes domesticorum auch den Befehl über die umgeformte Burgenkette am Flußlcreuz umschließt. Seine Scharen stehen mitten auf dem Boden der grimmigen Feindschaft zwischen den germanischen Stämmen, schlagen im Jahre 377 die erneut vorgeprellten Lentienser im Elsaß zusammen und halten später mit dem alamanischen Anführer Makrian, der in den fränkischen Herrschaftsbereich einbricht, eine vernichtende Abrechnung.
  Vielleicht ist damals der zeitweilig so starke Norddrang der Alamannen, deren Fährte man gerne in den Ingen- orten gesucht hat, durch die Kämpfe in einem Eichenwald des Mallobaudes zum Stillstand gebracht worden. Dann kann also Malmeneich mit dem mittelalterlich umgefärbten Erstwort Malbodo als Zeuge für ein Geschehnis von geschichtlicher Tragweite gelten, das sich hundert Jahre später in der Schacht bei Zülpich auf der anderen Seite des Rheines wiederholt. Das Bedenken der zeitlichen Kluft, die fast dreißig Generationen mit einer gähnenden Leere an jeglicher Kunde füllt, wiegen bei dieser Annahme natürlich äußerst schwer. Aber Namen haben oft ein zähes Leben, und nicht nur die Wasserläufe der Lahn, Nister und Sayn, sondern auch Orte wie Steinefrenz, das ursprünglich die Endsilbe "cetum" trägt, haben den grundlegenden Wechsel im Gefüge der Bevölkerung zum Trotze Reste der keltischen Sprache mehr als zwei Jahrtausende hindurch weitergegeben.

Bildunterschrift



















































 Überschrift Kapitel III.

 
Zusatzbemerkungen Kapitel III.
Text 1 Kapitel III
Sondertext
Text 2 Kapitel III


 Der Westerwald ...als wir noch Germanen waren

 
Leseprobe eines bemekenswerten Buches von Matthias Heidrich

Teil aus Kapittel 9
9. Franken erlangen römische Macht
378 - 380: Kleinkönig Mallobaudes

  Der Winter 377/378 war hart. An eine schlimmere Kälte konnten sich auch die Ältesten nicht erinnern. Als der Rhein schließlich zufror und man sich immer weiter hinaus auf das Eis wagen konnte, war es, als öffnete sich ganz langsam die Tür eines Raubtierkäfigs. Schließlich stellte der Rhein kein Hindernis mehr dar, und südlich Mains drang der Stamm der Alamannen über den zugefrorenen Rhein, um mit 4.000 Mann plündernd in den Süden von Gallien einzufallen.
  Hier berichten uns die Geschichtsschreiber bereits von einem fränkischen Offizier in der römischen Armee: Die römischen Truppen, die Gallien verteidigten, wurden vom Römer Nannienus und vom Franken Mallobaudes angeführt. Die Schlacht, zu der es vermutlich im heutigen Elsass kam, endet mit der vernichtenden Niederlage der Alamannen und dem Tod ihres Anführers Priarius. In der Schilderung des Konfliktes wird Nannienus als besonnen und tüchtig beschrieben, während der Franke Mallobaudes als leidenschaftlicher Kämpfer dargestellt wird.
  Aus dem Jahr 380 stammt ein Bericht, der uns erneut hellhörig werden lässt: Als in jenem Jahr die Alamannen über den Main nach Norden in fränkisches Gebiet eindrangen, wurden sie vom Frankenkönig Mallobaudes zurückgeschlagen, und der alemannische Anführer Macriarius wurde in einem Hinterhalt getötet.
  Dass es sich bei den beiden Mallobaudes um dieselbe Person handelt, wissen wir von den römischen Geschichtsschreibern, die Mallobaudes als "römischer Kommandant und fränkischer Kleinkönig" bezeichnen. Konnte er aber beide Funktionen gleichzeitig innehaben? Im Kampf gegen die Alamannen hatten Römer und Franken gemeinsame Interessen. Das spricht für diese These. Wenn aber andere Konflikte in den Vordergrund traten? Mallobaudes muss ein sehr fähiger Mann gewesen sein, wenn er beides in Einklang brachte!
  Wenn es unser Kleinkönig Mallobaudes war, der die Alamannen zurückschlug, die aus dem Süden angriffen, dann muss sein Machtbereich weit im Süden des Frankengebiets gelegen haben. Auch der Westerwald hat ganz sicher dazugehört.
  Ist dies derselbe Mallobaudes, der uns bereits 354/355 begegnet ist? Es ist denkbar, aber unwahrscheinlich, weil doch viel Zeit dazwischenliegt. Die Namensgleichheit lässt eher vermuten, dass es sich um Vater und Sohn gehandelt haben könnte.

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