Eingestellt: 06.04.2015; Verfasser: Norbert Horn; Veröffentlicht: Nassauer Bote;

Aus Dorchheims Geschichte


Von den Zisterziensermönchen aus dem Nistertal und

dem Dorchheimer und Waldmannshäuser Adel

 


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  Der artikel von Norbert Horn:


    Der erste umfassende Artikel über Dochheims Geschichte, diente oft als Informationsquelle
    (Findet auch bei H. Gensicke in Nassauische Annalen Band 90 (1979) Seite 173 Erwähnung)
    Verfasser: Norbert Horn (1911-1986); Veröffendlicht: Nassauer Bote, 50er Jahre;


Von Mönchen, Rittern und Bauern
in Dorchheims Vergangenheit
Der blühende Rosenstrauch,
  der in einer verschneiten Wildnis des Westerwaldes den Mönchen Marienstatts zum Zeichen der Verheißung wird, ist ein Sinnbild von seltener Leuchtkraft und Wirklichkeitsnähe. Wie eisige Stürme über einer Winterlandschaft fegen nämlich von Anbeginn die Feindseligkeiten einer mächtigen Adelssippe über den kargen Nährboden hinweg und bedrohen das junge Kloster im Nistertal mit einem schnellen Ende. Auch nach ihrem Verzicht auf das Faustrecht vererbt sich die erbitterte Gegnerschaft der Herrn auf Burg Molsberg vom Ahn zum Enkel, und über dem Grafen Heinrich von Sayn, der die Zisterzienser unter seinen Schild genommen hat, schwebt wenig später der Bannstrahl des gefürchteten Ketzerrichters Konrad von Marburg. Wenn nun das schwache Reis doch nicht dem Übermaß der Hindernisse unterliegt und sogar in erstaunlich kurzer Zeit zu einem weithin sichtbaren Baum emporwächst, so widerspricht ein solcher Vorgang aller irdischen Voraussicht, Einzig die Glut eines innigen Glaubens an die Hilfe der Gottesmutter hat die starre Frosterde durchwärmt und auch fruchtbar gemacht.

Großzügiges Almosen
  Die bitteren Erfahrungen beim Aufbau der Grundmauern haben dem Kloster eindringlich klargemacht, wie dicht im Menschentum des Mittelalters die beiden Gegenpole einer inbrünstigen Jenseitsschau und eines wachen Weltsinnes benachbart sind. Nach einer solchen Lehrzeit ist man in Marienstatt kaum allzusehr davon überrascht worden, daß auch seine Ankunft am Lasterbach mit einem Strauß von Widerwärtigkeiten begrüßt wird. Bereits der ersten Schenkung schließt sich sofort ein unerfreuliches Nachspiel an. Der Ritter Gerlach von Gebhardshain hat, in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, die Erbtochter Lenfrieds von Dorchheim geheiratet und übergibt die dortige Mitgift seiner Gattin Imma den Mönchen als ein großzügiges Almosen. Der Bruder seines Schwiegervaters jedoch, der in Weilburg wohnt, hat eine ganz andere Vorstellung vom Wert oder Unwert irdischer Dinge. Ritter Kuno hält es für untragbar, daß ein Teil des Familienvermögens ohne Ausgleich verlorengeht, und die Auseinandersetzungen darüber enden am 21. April 1272 nur mit einem Teilsieg der Zisterzienser. Die Abtei gelangt zwar in den Besitz der umstrittenen Güter und erhält darüber hinaus noch das alleinige Patronatsrecht über die Kapelle zu Dorchheim, aber der hartnäckige Edelmann läßt sich den Verzicht mit 12 Mark Kölner Pfennige gut bezahlen und kann auch in Zukunft die bisherige Abgabe von 10 Schilling für den Unterhalt des Gotteshauses einsparen.
  Kaum ist dieser Angriff abgewehrt, da tauchen neue Schwierigkeiten auf. Nunmehr findet sich Friedrich Waltbote von Waldmannshausen, dessen Geschlecht bereits an früheren Kämpfen gegen Marienstatt teilgenommen hat, mit den Bauern zu Dorchheim und Mühlbach in einer gemeinsamen Front zusammen. Die einheimische Adelsfamilie hat nämlich nicht ganz unbeschränkt über die Kapelle verfügen können, sondern die Nutzung der Altargüter ist zum Teil den Herren auf der Wasserburg am Elbbach und den Einwohnern der beiden Dörfer vorbehalten gewesen. Wie immer bei wechselseitigen Ansprüchen glaubt sich nun jede Partei im Nachteil, und erst ein Schiedsgericht, dem der Dekan Wigand von Weilburg, der Leutpriester Walter von der Blasiuskirche sowie die Ritter Friedrich Bucher von Laurenburg und Ämilius von Schwalbach angehören, vermag am 10. August 1276 eine klare Grenze zu ziehen. Gemäß diesem Vertrag dürfen die Zisterzienser über Vergabe der Pfründe, das Amt des Glöckners und die Einkünfte der Kapelle in der gleichen Weise verfügen wie die verstorbenen Ritter Lenfried und Kuno. Dagegen bleiben die herkömmlichen Rechte der Bauern und Waltboten ebenfalls ohne Einbuße, und dieser Vergleich ist ein weiteres Beispiel dafür, wie sich gegensätzliche Sinnesarten in der gleichen Familie und dem gleichen Dorf mischen können. Der Vater des zähen Edelmannes hat nämlich für seine Wohltaten ein Grab im Schatten der Klosterkirche erhalten, und die Namen des Klaus, Heinz und Hermann sowie der Eva, Adelheid, Emel und Katharina in dem Gedächtnisbuch der Abtei beweisen, daß in Dorchheim neben den geballten Fäusten auch offene Hände zu finden sind.

Bannstrahl der Kirche
  Während der Besitz der Kapelle nunmehr gegen jeden fremden Anspruch abgeschirmt ist, schwelt der Streit um die Äcker und Wiesen durch die Mißgunst benachteiligter Erben bis ins nächste Geschlecht weiter. Als nun die Brüder Rorich und Wigand von Sottenbach ebenfalls ihr Eigentum in der Gemeinde der Abtei verkaufen, lodern wieder helle Flammen empor. Der Ritter Konrad von Kaltenborn und der Edelknecht Burkhard von Stockheim wollen dabei abseits vom Rechtswege mit Offener Gewalt ihre Ansprüche durchsetzen und verfallen für den Griff nach geistlichem Gut dem Ausschluß aus der Kirche. Dieser Bannstrahl zwingt zwar die beiden Frevler zur Kniebeuge, aber da Marienstatt am 16. Oktober 1306 auf jeden Schadenersatz verzichtet, so scheint das Gesetz doch nicht ganz zweifelsfrei auf seiner Seite gestanden zu haben. Jedenfalls sucht die Abtei jetzt ein möglichstes Maß an Sicherheit gegen weitere Störversuche zu gewinnen und bietet bei dem Abschluß des Vertrages eine stattliche Zahl von. Zeugen auf, nämlich den Dekan Wigand und den Stiftsherrn Rorich aus Weilburg, den Dekan Heinrich aus Daaden, die Ritter Friedrich Waltbote von Waldmannshausen. Adolf von Wilmenrod, Heinrich von Derschen, Konrad Vogt von Mauden, Johann von Holzhausen und Muselin von Allendorf sowie die Edelknechte Giselbert Schütz, Heinrich Nase, Eberhard Rübsam und noch viele andere Männer mit geachtetem Namen.

Sammelstelle Dorchheim
  Nachdem auch der letzte Lenfried von Dorchheim, der im Jahre 1318 zu Westerburg wohnt, seine Liegenschaften am Lasterbach den Mönchen für eine Leibrente von 9 Malter Brotfrucht übereignet hat und später durch den Verzieht der Jutta von Meilingen jeder Schatten weicht, vereinigt Marienstatt nunmehr das gesamte Erbe der einheimischen Edelleute unter dem Wappen des Rosenzweiges und beginnt, zielbewußt den Klosterhof in Dorchheim zur Sammelstelle seines beträchtlichen Besitzes Limburger Becken auszubauen. In diesem Raum steht aber nicht wie auf dem Hohen Westerwald die Arbeitskraft höriger Bauern zur Verfügung, und die Masse des Grundbesitzes wird daher verpachtet. Um nun eine klare Übersicht über die wirre Vielfalt der Abgaben in den Dörfern von Eufingen bis Ettinghausen zu behalten, findet man die ständige Anwesenheit eines Ordensgeistlichen in diesem Raum für notwendig, und bei der Wahl eines geeigneten Ortes bekommt trotz der Randlage Dorchheim den Vorzug, weil nur hier in einer eigenen Kapelle das Meßopfer gefeiert werden kann.
  Nun ergeben sich jedoch Mißstände von wesentlich anderer Art wie bei dem Erwerb der Nutzflächen in der Gemarkung, und zwar tritt die Pfarrei Blasiusberg gegen die Abtei in die Schranken. Dieser peinliche Zwist ist aus den örtlichen Verhältnissen leicht zu erklären. Während die Mutterkirche jenseits des Elbbaches mehr als eine Wegstunde entfernt und im Winter nur beschwerlich und bei Hochwasser überhaupt nicht zu erreichen ist, wohnt jetzt ein Pater neben der Kapelle und kann zu jeder Zeit von den Männern aus Dorchheim, Mühlbach und Waldmannshausen geistlichen Anliegen aufgesucht werden. Nun scheint dieser Zisterzienser solchen Wünschen ziemlich weitgehend entsprochen zu haben, und auch sein Abt Wigand vertritt die Ansicht, daß eine derartige Tätigkeit bei einem Versagen des zuständigen Pfarrers der Seelsorge durchaus zum Vorteil dienen kann. Der Leutpriester Frencwin jedoch, der in Dorchheim keinen Zehnten erhält und lediglich auf die Stolgebühren und fromme Spenden angewiesen ist, fühlt sich durch Solche Eingriffe natürlich gekränkt und geschädigt. Der Deutsche Ritterorden, der vor drei Menschenaltern Patronatsherr auf dem Blasiusberg geworden ist, kommt seinem Vikar sofort zu Hilfe, und in drei Urkunden aus dem Jahre 1321 zeichnet sich deutlich der Rückzug der Zisterzienser ab.

Erzbischof droht
  Zunächst zwar bedroht Erzbischof Balduin von Trier den, der dem Gottesdienst der Mönche in der Kapelle Schwierigkeiten bereitet, mit dem Bann, aber Begräbnisse und Opfergaben bleiben in dem Schreiben vom 26. Januar dem Weltpriester vorbehalten. Noch genauer legt ein Schriftstück, das der Abt am 25. April unterschreibt, die Grenze zwischen den beiden Gegnern fest. Das Recht des Klosters, in Dorchheim eine Messe lesen oder singen zu lassen, darf sich in keiner Weise nachteilig für die Pfarrei auswirken. Der Mönch ist also nicht befugt, Kinder zu taufen, Tote zu beerdigen, Mütter auszusegnen oder Kerzen, Palmen oder Kräuter zu weihen. Wer bei solchen Anlässen nicht an dem Gottesdienst in der Pfarrkirche teilnimmt, wird aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen. Ferner hat Marienstatt einzig auf die Spenden, die ausdrücklich dem Kloster oder seiner Kapelle gestiftet werden, einen berechtigten Anspruch und muß alle übrigen Opfergaben dem Pfarrer oder dem Ritterorden abliefern. Wenig später hält man es noch für angebracht, dieses Abkommen, dessen Bruch die Zisterzienser mit 10 Mark Silber büßen sollen, durch einige Punkte zu vervollständigen. Demnach ist es auch nicht statthaft, daß der Pater ein Brautpaar traut oder Weihwasser segnet, und den Pfarrkindern, die lieber in die nahe Kapelle gehen, wird der Besuch der Blasiuskirche an allen Feiertagen bei der Strafe des Bannes zur Pflicht gemacht.

Dauernde Abgaben
  Es liegen. keinerlei Anzeichen vor, daß die Ruhe später nochmals gestört worden ist. Dagegen hegt man damals, als der tatkräftige Balduin von Trier der Geistlichkeit dauernde Abgaben auferlegt und auch kleine Gotteshäuser nicht vergißt, in Marienstatt die Sorge, allzu schwer belastet zu werden. So muß zum Beispiel Hadamar 2 Pfund 4 Heller entrichten, Elz ebenso wie die Blasiuskirche 2 Pfund 4 Solidus 8 Hel1er, Nentershausen 4 Pfund, Niederzeuzheim 5 Pfund 1 Solidus, Salz 6 Pfund 3 Solidus und das Kloster Beselich 9 Pfund 3 Solidus 3 Heller. Die Zisterzienser suchen sich also gegen übermäßige Auflagen zu sichern und erreichen es auch, daß das Landkapitel Dietkirchen am 22. Juli 1326 sämtliche Abgaben an den Erzbischof und den Archidiakon übernimmt. Zum Ausgleich bezahlt die Abtei jährlich dem Kämmerer die feste Summe von 6 Solidus, und beide Gemeinschaften nehmen sich wechselseitig in ihre Bruderschaften auf.

Marienmesse gestiftet
  Von dem ersten Eifer für das religiöse Leben des Dorfes ist im nächsten Jahrhundert leider wenig zu spüren. Die Ordenszucht erreicht damals einen bedenklichen Tiefstand, und gerade von dem Pater Johann in Dorchheim, dem mehrfache Vaterschaft zum Vorwurf gemacht wird, kann man keine segensreiche Wirksamkeit erwarten. Als dann Pater Hermann unter veränderten Verhältnissen seine Nachfolge angetreten hat, suchen die Bauern in Dorchheim mit eigenen Mitteln einen neuen Ansporn für den Gottesdienst in ihrer Kapelle zu schaffen. Bischof Huprecht von Azotus, der seinen Titel von einem verschwundenen Bistum in Palästina erhalten hat, weiht als Vertreter des Erzbischofs einen neuen Altar und bestätigt .am 21. Juli 1469, daß die Gemeinde mit einer Rente von 3 Gulden eine. wöchentliche Marienmesse gestiftet hat. Das Meßopfer darf nur von dem Pater in Dorchheim gefeiert werden, und wenn an einem Samstag triftige Gründe zum Hindernis werden, so ist das Versäumnis an einem anderen Tag in der nächsten Woche nachzuholen. In den Schlußworten der Urkunde kommt das Mißtrauen der Einwohner an einer dauerhaften Sorge für den Gottesdienst unverhohlen zum Ausdruck. Der Glöckner erhält nämlich den Auftrag, jede ausgefallene Messe an einem Kerbstock zu vermerken und dafür einen Abzug von der Gesamtsumme zu machen.

Gar üble Streiche
  Hier ist bereits ein leiser Hauch jener Denkart zu verspüren, die im nächsten Jahrhundert tosende Fluten aufpeitscht. Was dann den Fahnen der neuen Bekenntnisse folgt, ist der weltlichen Hülle geistlicher Gemeinschaften alles andere als günstig gesonnen. Während jedoch im Raum an der mittleren Lahn für Seligenstatt und Gemünden, Beselich und Weilburg, Diez und Dirstein, Gnadenthal und Walsdorf ein jähes Ende oder ein unheilbares Siechtum bestimmt ist, stemmen sich die Zisterzienser kraftvoll gegen die schrotenden Mühlsteine von Sayn und Nassau und wissen auch das entlegene Außenwerk im Elbtal geschickt zu verteidigen. Allerdings muß dabei mancher schmerzhafte Stoß geduldig ertragen werden. Pater Petrus, der als Verwalter der Kellerei zu Dorchheim die Rechte Marienstatts wahrt, stirbt im Schloß zu Hachenburg einen rätselhaften Tod. Ein anderer Mönch begrüßt im Klosterhof die Gäste zu seiner Hochzeitsfeier und spielt als Ehemann seinen einstigen Mitbrüdern gar üble Streiche. Die Dorfkapelle geht schließlich nach 300 Jahren verloren, ihre farbigen Wandgemälde werden als Ärgernis für die Augen eines echten Kalviners übertüncht, und die lateinischen Meßgebete weichen dem deutschen Predigtwort.

Frische Fische
  Mitten in diesem religiösen Umbruch wird jedoch der Besitzstand an irdischem Gut wenigstens in Dorchheim mehr als gewahrt. Nachdem im Jahre 1518 die beiden Höfe des Georgsstiftes für die Ländereien in Ahlbach und Neesbach eingetauscht worden sind, können am Ausgang des Jahrhunderts rund 42 Hektar Saatfläche, mehrere Wiesen mit durchschnittlich 19 Wagen Heu, 6 Gärten und 2 Gehöfte in Erbpacht gegeben werden. Neben sonstigen Liegenschaften werden 5 Wiesen mit 21 Wagen neu zurückbehalten für die eigene Viehzucht, und 3 Weiher zwischen dem Unterlauf des Mühlbaches und der Ölmühle am Lasterbach bringen an fleischlosen Tagen frische Fische auf den Tisch. Bereits bei den ersten Windstößen der Reformation errichten die Zisterzienser auch neue Räume und bekunden damit ihren Willen zum Durchhalten. Hoch ragt im Jahre 1535 der feste Bau über den Strohdächern der 20 Bauernhäuser empor und schaut herab auf den Ziehbrunnen, auf das Back- und Brauhaus, auf Ställe und Scheunen, auf grüne Gemüsegärten und blühende Obstbäume. Wenn dann aber der Herbst in das Land zieht, bringen die Pächter aus dem Elbtal mehr 340 Zentner Roggen und 54 Zentner Hafer nach dem doppelten Fruchtboden des Klosterhofes, und hinter diesen Maltersäcken verschwinden die sonstigen Abgaben an Weizen, Gerste, Erbsen, Weißkraut, Butter, Gänsen, Hühnern, Hähnen samt dem Bargeld von 11 Gulden 6 Albus, die im Jahre 1599 eingenommen werden. -hn