Eingestellt am 11.03.2018 von hf; Verfasst am 02.08.1956 von Norbert Horn (1911-1986);
Besucherzähler: 2837  


Vorwort

  Der unötige und unwiederrufliche Verlust von historischem Schrifttum, muss jedem Historiker als bitter erscheinen und so will Norbert Horn in diesem Werk an die frevelhaften Machenschaften der Nassauer Grafen, im Bezug auf die ihnen anvertrauten kulturellen Schätze, erinnern.

Inhaltsverzeichnis:

1. Bücher auf Wanderschaft

Bittere Dinge vom Schicksal Nassauischer Klosterbibliotheken

2. Die Bibliothek von Kloster Marienstatt heute

Nur 55 Werke des heutigen Bestandes waren nachweislich vor 1802 im Bibliothekenbestand des Klosters




 Bücher auf Wanderschaft


 
 Die Enteignung der Klöster durch Napolen um 1802 brachte nicht nur ....


Bücher auf Wanderschaft

Bittere Dinge vom Schicksal Nassauischer Klosterbibliotheken
von Norbert Horn (1911-1986)
 Der Schlag gegen die nassauischen Klöster im Jahre 1803 verfolgt in erster Linie die Absicht, ihre ausgedehnten Liegenschaften und einträglichen Grundrenten in weltliche Hände zu bringen. Was sonst noch dabei zu erbeuten ist fällt weniger ins Gewicht und vor den reichen Bibliotheken stehen die Behörden sogar in peinlicher Ratlosigkeit. Es ist auch zu begreifen, daß man bei den schweren Kriegslasten und dem raschen Fluß politischer Verhältnisse sattsam andere Sorgen hat und alte Bücher meist religiösen Inhaltes leicht aus den Augen verliert. Aber durch dieses Verhalten ist damals häufig unersetzliches Geistesgut der Ahnen für immer verschwunden, und man kann von einer wirklichen Schuld sprechen, wenn noch lange Jahre nach dem Abschluß des letzten Feldzuges sich keine behutsame Hand zum Bewahren und Ordnen finden läßt.

 Teile der großen Bibliothek, die von den Zisterziensern zu Eberbach angelegt worden ist, wandern im Jahre 1805 nach dem Schloß in Idstein und sammeln sich gemeinsam mit Beute ähnlicher Herkunft zu wirren Haufen und rund 13000 Folio- Quart- und Oktavbänden. Niemand kümmert sich zunächst ernstlich und angemessen darum, und Schimmel, Schmutz und Mäusefraß schaffen im trauten Verein ein wenig erbauliches Bild. Andere Druckwerke und Handschriften werden auf mehreren Wagen aus dem Rheingau nach Wiesbaden gefahren und dort ohne ihre kunstvollen Beschläge, die in jüdische Hände übergehen, an Buchbinder und sonstige Geschäftsleute nach dem Gewicht verkauft. Auf diese Weise kommen die Pergamentblätter eines Choralbuches mit zierlichen Kleinbildern aus dem 14. Jahrhundert in den Besitz einer Klavierfabrik und werden für die Hämmerchen der Musikinstrumente achtlos zerschnitten. Aber der eigenartige Buchhandel scheint doch keinen übermäßigen Gewinn gebracht zu haben, und bis zum Jahre 1819 läßt man über tausend Bände in der damaligen Irrenanstalt völlig unbeachtet liegen.

 Nicht weniger traurig ist das Schicksal, das die Bibliothek der Abtei Marienstatt trifft. Sie bleibt nämlich Jahre hindurch ohne eine Maßnahme zu ihrem Schutz an Ort und Stelle, ein Teil ihres Bestandes wird von den Soldaten einer einquartierten Feldbäckerei verheizt, und andere große Lücken entstehen durch wiederholte Diebstähle. Als man sich im Jahre 1820 endlich an das Versäumnis erinnert, findet der Kirchenrat Schröder bei einer Besichtigung, daß der Bibliotheksraum von der allgemeinen Verwahrlosung der Räumlichkeiten des aufgehobenen Klosters keine Ausnahme macht. Seine Tür zeigt die Spuren mehrfacher Einbrüche, die Mehrzahl von einigen tausend Büchern liegt in wildem Durcheinander auf dem Fußboden verstreut, und viel Bände sind zerrissen und von Hunden besudelt worden. Es zeugt nicht gerade von Interesse und gründlicher Arbeit, daß man jetzt noch keine vier Gulden ausgibt, um den gröbsten Schmutz zu entfernen und die erhaltenen Reste vor diebischen Händen zu sichern.

 Die Bibliothek der Franziskaner in Limburg, die mit etwa 10000 Bänden wahrscheinlich die erste Stelle in Nassau einnimmt, geht erst im Jahre 1813 in staatlichen Besitz über. Ihr Bestand ist bereits durch Räubereien in der Kriegszeit, für die besonders Kommissar Keil mit seiner Vorliebe für kostbare Handschriften des Mittelalters verantwortlich gemacht wird, etwas gelichtet worden, aber trotzdem erscheint es sonderbar, daß Dr. Hundeshagen bei seinem dienstlichen Aufenthalt im Auftrag der Regierung nur 750 Bücher aus der reichen Fülle auf die Seite legt und damit die übrigen 90 bis 95% als wertlosen Plunder preisgibt. Während dieser restliche Bestand zum Teil 1813 körbeweise in der Stadt versteigert werden, werden die ausgewählten Werke mit 6 Wagen nach Idstein gefahren und bleiben hier zunächst bis auf weiteres im Staube liegen. Sie brauchen sich aber über eine solche Behandlung keineswegs zu beklagen, weil andere Bibliotheken, die aus Arnstein, Hadamar, Marienthal, Rommersdorf, Sayn und Schönau stammen, das gleiche Schicksal erleiden.

 Wohl unter dem Andrang der gewaltigen Büchermasse wird am 12. Oktober 1813 zu Wiesbaden eine öffentliche Staatbibliothek ins Leben gerufen, die anfangs nur herzoglichen Beamten und dann allen Leuten mit "gesellschaftlichem Anstand" zugänglich ist. Man beginnt nun mit der Anlage von dürftigen und fehlerhaften Verzeichnissen über die erworbenen Bestände, aber die Arbeit wächst den wenigen und teilweise sehr ungeeigneten Männern schon bald über den Kopf. Daher sucht man sich die Flut an geschriebenen und gedruckten Werken in möglichst großem Umfang vom Hals zu schaffen und mit diesem Bemühen verrinnen bei dem Mangel an Arbeitskräften, bei den Lücken des fachlichen Wissens und bei den persönlichen Liebhabereien und Abneigungen volle vier Jahrzehnte. Die Bücher begeben sich in verschiedenen Gruppen auf neue Wanderschaft durch das Herzogtum Nassau, und die Lehrersemmare zu Dillenburg, Idstein, Montabaur und Usingen, die Gymnasien zu Hadamar, Weilburg und Wiesbaden, die beiden Vereine für Altertumskunde und Naturkunde in Wiesbaden, das katholische Priesterseminar zu Limburg, das evangelische Seminar zu Herborn, das Oberappellationsgericht zu Wiesbaden, das Hof- und Oberappellationgericht zu Dillenburg, die Militärschule zu Wiesbaden und die Bergschule zu Dillenburg werden mit einem reichen, manchmal dort wertlosen und unerwünschten Segen bedacht. Auf die übliche Arbeitsweise wirft es ein bezeichnendes Licht, daß im Jahre 1819 über hundert Bände an das landwirtschaftliche Institut in Idstein ausgeliehen werden und erst 19 Jahre später in dem Verzeichnis getilgt werden.

 Das Schicksal eines einzigen Werkes aus den enteigneten Klöstern kann als Sinnbild für den Ablauf der Gesamtzustände dienen. Das älteste Copialbuch der Abtei Eberbach, der Oculus Memoriae, gerät aus der Staatbibliothek in die Hände eines Buchbinders, um als überflüssiges Pergament für neue Einbände genutzt zu werden. Von diesem Geschäftsmann erwirbt der findige Dr. Dorus die alten Blätter für wenig Geld und verkauft sie an den Professor Braun aus Mainz, der die wertvolle Handschrift dem bekannten Geschichtsforscher- und fälscher Bodmann zur Einsichtnahme überläßt. Hier begegnet Dr. Hundeshagen dem verirrten Buch und darf es für seine Veröffentlichungen über den Palast in Gelnhausen und die Kirche in Frankenberg auswerten. Aber dieser Gelehrte vergißt, daß die Leihe mit der Bedingung der Rückgabe an die Staatsbibliothek erfolgt ist, und noch im Jahre 1829 sieht F. F. Böhmer aus Frankfurt das Buch in den Unrechten Händen. Später entschließt sich der nassauische Altertumsverein zum Ankauf und überläßt dann das kostbare Werk dem Staatsarchiv. Bei solchen Verhältnissen braucht man sich nicht zu wundem, wenn sich die Regierung zu Wiesbaden im Jahre 1820 wiederholt voll Mißtrauen erkundigt, ob 60 Kisten mit Büchern überhaupt noch die Fracht nach ihrem neuen Bestimmungsort wert sind.





 Die Bibliothek von Kloster Marienstatt heute

 
Nur noch von 55 Bücher ist es belegbar, dass sie vor 1802 im Bestand des Klosters waren.

Säkularisation 1802-1803 (Orginaltext der Klosterhomepage): Aufhebung und Vertreibung der Mönche im Zuge der Säkularisation durch die Regierung von Nassau-Weilburg; Übereignung der Gebäude an Graf Friedrich-Wilhelm von Nassau-Weilburg. Nur drei Mönche dürfen für die Seelsorge in Marienstatt bleiben.

Bibliotheksbestand (Orginaltext der Klosterhomepage): Von den heute über 100.000 Medieneinheiten, darunter 96.000 Bücher, gehören ca. 21.500 zum historischen Altbestand, der seit März 2017 als national wertvolles Kulturgut geschützt ist. Hierzu gehören u. a. die Privatbibliothek des ersten Abtes nach der Wiederbesiedlung und späteren Bischofs von Limburg Dominikus Willi (Abt von 1889-1898, Bischof von 1898-1913), teilweise vollständig dem Kloster vermachte Privatbibliotheken von Geistlichen sowie Handschriften und Drucke untergegangener Klöster des Ordens (Altenberg, Hardehausen, Kamp, Heisterbach, Heinrichau).

Zur Klosterbibliothek des Klosters Marienstatt

Besuch in der Marienstätter Bibliothek. Die lebensgroße Figuren im oberen Stock stellen die 12 Apostel da, sie standen ursprünglich in der Klosterkirche und stammen aus der berühmten Hadamarer Barockwerkstatt (hf)