Angefangen am: 04.08.2020;

Die Dornburg im Zwielicht

ERKIÄRUNGSVERSUCHE EINES BERGNAMENS ALS SPIEGEL FÜR DEN STAND UND DIE AUFGABE DER FORSCHUNG
Hauptüberschrift Bemerkungen

Inhaltsverzeichnis:

1. Vorwort

Der schnöde Mamon vs Kulturgut

2. Die Dornburg im Zwielicht

ERKIÄRUNGSVERSUCHE EINES BERGNAMENS ALS SPIEGEL FÜR DEN STAND UND DIE AUFGABE DER FORSCHUNG

3. Kapitel III

Zusatzbemerkungen III.


 Vorwort

 
Der schnöde Mamon vs. Kulturgut
Text Kapitel I.







 Der Artikel von Norbert Horn

 
Veröffendlicht in der 50er Jahren

Die Dornburg im Zwielicht


ERKIÄRUNGSVERSUCHE EINES BERGNAMENS ALS SPIEGEL FÜR DEN STAND UND DIE AUFGABE DER FORSCHUNG

  Zu den vielen Rätseln der heimatlichen Frühgeschichte, die bei dem gänzlichen Mangel an schriftlichen Quellen naturgemäß mehr Fragen als Antworten aufweist, liefert auch die Dornburg im südlichen Bogens des Elbbaches einen erheblichen Beitrag, und die Schwierigkeiten einer Lösung ihrer Geheimnisse, die lange vor der Kenntnis ihrer wissenschaftlichen Bedeutung von Sage und Legende umsponnen werden, beginnen nicht erst mit dem volklichen und zeitlichen Einordnen der Baureste und Bodenfunde, sondern bereits mit dem Versuche, in dem Namen des Berges einen bestimmten Sinn zu entdecken.
  Schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts enthält das nassauische Schrifttum die ersten Schritte in dieser Richtung, und zwar wird damals die Ansicht geäußert, daß der Name ganz einfach von den vielen Dornhecken bei der alten Burg herzuleiten ist. Eine solche Annahme liegt bei einem Blick auf die verfallenen und von Gestrüpp überwucherten Steintrümmer recht nahe, aber es wird dabei übersehen, daß die Anlagen in jener Zeit, da sie errichtet und benutzt worden sind, einen ganz anderen Eindruck auf die Beschauer gemacht haben. Gegenüber der wuchtigen Mauer, die an der Angriffsseite zehn Meter emporsteigt und auf der Wallkrone noch durch hölzerne Wehrbauten verstärkt ist, kann man niedriges Buschwerk nicht als Kennzeichen des Ortes bewerten. Innerhalb des Schutzringes aber, wo Gehöfte stehen und Saaten reifen, wo Getreide vermahlen und Wolle versponnen wird, wo Wasserleitungen angelegt und Handel treibt, sind erst recht keine Dornen als wesentliches Merkmal der Siedlung zu betrachten.
  Nun ist es allerdings möglich und sogar wahrscheinlich, daß der Berg im Laufe seiner Geschichte seinen Namen gewechselt hat. Die erhaltenen Bauteile weisen nämlich ebenso wie einzelne Münzfunde auf eine keltische Herkunft hin, und die zahlreichen Brandgräber bei dem wenig entfernten Bilkheim lassen sogar für eine erste Anlage eine noch ältere Volksschicht vermuten. Weiterhin kommt nach dem Rückzug der Kelten, die nach den Feuerspuren an den Steinen kaum kampflos gewichen sind, an der Wende zum letzten vorchristlichen Jahrhundert eine germanische Wandergruppe in die Gegend, und nach den Wirren, die dem Auf treten Caesars vorausgehen und folgen, liegt das Gebiet im Einflußbereich der chattischen Kultgemeinschaft. Aus noch späterer Zeit hat man eine Münze des römischen Kaisers Maximus (235- 238 n.Chr.) auf der Dornburg gefunden, und damals wird wohl eine Gruppe der Nictrenser oder Tubanten, die das Veroner Verzeichnis im Jahre 259 als Siedler zwischen Lahn und Sieg nennt, hinter den Ringwällen gehaust haben. Als dann die Franken diese Zwergstämme aufsaugen und unter König Chlodwig ihren Vormarsch am rheinischen Raum antreten, geht das Berggelände nochmals in andere Hände über.
  An und für sich also kann sich bei dem mehrmaligen Besitzerwechsel der endgültige Namen auch dann gebildet haben, als die Wehr- und Wohnbauten bereits in Trümmer liegen und im Gestrüpp zu versinken scheinen. Aber selbst in diesem Falle stimmen zwei wichtige Tatsachen mit der vermuteten "Burg in den Dornen" nicht überein. Zunächst wird in der Mundart der Gegend der Selbstlaut bei dem Worte "Dorn" nicht geändert, und die Mehrzahl wird als "Dern" ausgesprochen Man kann also die verschiedenen Orte, die sich Dernbach nennen, mit einem Gestrüpp in Verbindung bringen, aber die Dornburg nicht, weil der im Gegensatz zu dem Dorfnahmen "Duhrmersch" bezeichnet wird. Mit dem Zweifel aus sprachlichen Gründen steigt noch ein sachliches Bedenken auf. Die gleiche Vorsilbe findet sich nämlich in unmittelbarer Nähe bei den Ortschaften Dorchheim und Dorndorf wieder, und man hat wohl kaum die beiden Siedlungen auf gutem Fruchtland jemals als Heim oder Dorf in einer dornigen Wildnis empfunden. Allerdings spielen dichte Hecken bei den Grenzwehren und den Schutzzäunen der Siedlungen im Mittelalter eine bedeutsame Rolle, aber es nicht einzusehen, warum gerade diese beiden Orte einen Wesenszug, der überall anzutreffen ist, zum Bestandteil ihres Namens wählen sollen.
  Die Ableitung des Bergnamens von einer Pflanze hat auch vor hundert Jahren nicht ganz befriedigt, und daher wird gleichzeitig auf eine ganz andere Möglichkeit hingewiesen, die aber noch weniger zu überzeugen vermag. Es wird nämlich die Meinung geäußert, daß die Burg nach ihrem Erbauer, einem Torro oder Tor benannt worden ist. Ein solcher Eigenname ist jedoch auch in zusammengesetzter Form, wie er im nordischen Lebenskreis sehr häufig vorkommt, bei keinem westgermanischen Stamm gebräuchlich, und außerdem ist die Dornburg niemals, was bei dieser Deutung als sicher betrachtet wird, der Sitz eines deutschen Adelsgeschlechtes gewesen. Nicht nur das völlige Schweigen der Urkunden, sondern ganz einfach auch die Größe der Befestigungen widerlegen eine solche Annahme. Im Vergleich mit ihrem Umfang, der weit über 2000 Meter beträgt, erscheinen die Maße wirklicher Burgen, wie Waldmannshausen, Ellar oder Molsberg mehr als bescheiden, und kein noch so mächtiger Gaugraf oder Grundherr der Lebenszeit verfügt für die Verteidigung des Riesenheeres über die notwendige Mannschaft. Der Ringwall hat nur als Schutzraum für eine größere Anzahl von Menschen einen Sinn und ist deshalb von einer mittelalterlichen Burg, die das befestigte Wohnhaus einzelner Familien darstellt, völlig verschieden.
  Der Gedanke von einer Burg des "Torro" ist auch im Volke kaum verbreitet gewesen. Hier hat man die Meinung, daß der Name von einem germanischen Gott Donar herstammt, den meisten Widerhall gefunden. Diese Ansicht, die in der Heimatdichtung einen Sang von der Donarburg entstehen läßt, wurzelt in der romanischen Empfindsamkeit des vorigen Jahrhunderts für die Weltschau unserer Ahnen und sieht eine Stütze darin, daß auch verschiedene Orte in der Umgebung, so Dorchheim, Dorndorf, Frickhofen, Nieder- und Oberzeuzheim, an Gottheiten der germanischen Zeit erinnern. Aber bei genauerem Prüfen zeigt sich, wie schwach die wissenschaftliche Tragfhhigkeit des Gedankenbaues ist. Zunächst ist es sprachlich unmöglich, die ältesten Schriftformen "Ubitesheim" für Niederzeuzheim und "Vredekobin" für Frickhofen mit Ziu und Frigga in Zusammenhang zu bringen. Bei Niederzeuzheim kommt noch hinzu, daß die Heim-Orte das Werk fränkischer Siedler sind und daher nicht mit einem Götternamen, der damals fast nur noch bei ihren alemannischen Feinden üblich ist, benannt werden. Außerdem ist die Dornburg selbst, wie der Fund einer Halskette aus merowingischer Zeit und besonders die Reihengräber in der Nähe des Berges deutlich zeigen, eine Zeit hindurch von Franken bewohnt gewesen. Der Brauch aber, die Toten in Ost-Westrichtung zu bestatten, dringt nach dem Inhalt der Friedhöfe bei Steeden und Löhnberg erst seit der Mitte des sechsten Jahrhunderts zum Limburger Becken vor. Damals jedoch sind die Franken in ihrem Kernraum, der die Siedler zur Sicherung des Reiches in die Randgebiete sendet, bereits seit zwei Menschenaltern Christen geworden, und wenn auch der neue Glaube vielfach noch nicht die Seelen geformt hat, so wird man doch bestimmt keinen Stützpunkt gegen heidnische Nachbarn unter den Schutz einer verfemten Gottheit stellen.
  Unberührt von dieser fragwürdigen Erklärung des Namens bleibt natürlich die Möglichkeit, daß sich auf der Dornburg eine vorchristliche Kultstätte befunden hat. Der Umstand, daß der Volksmund eine Felsenbildung am Berghang als Wildweiberhäuschen bezeichnet, besitzt allerdings wenig Beweiskraft. Wie die Höhlen bei Steeden und Diez zeigen, können mit solchen Ausdrücken ganz allgemeine Erinnerungen an verschollene Zeiten ohne faßbare religiöse Grundlage verbunden sein. Eher deutet schon die Sage von der Völe auf ein bestimmtes Glaubensgut hin, weil die Walen als hochverehrte Priesterinnen eine wichtige Rolle in der germanischen Religiösität spielen, und vor allem scheint eine Entdeckung im vorigen Jahrhundert fiir ein einstiges Heiligtum noch in fränkischer Zeit zu sprechen. Man hat nämlich damals die Grundmauern einer kleinen Kapelle mit quadratischen Chor und Schiff auf dem Berge festgestellt, die in keiner Urkunde erwähnt wird Lediglich eine fromme Legende berichtet, daß die goldenen Bilder der Apostel beim Untergang der Dornburg im Feuer feindlicher Raubritter aus der brennenden Stadtkirche fortgewandert sind, und sie stellt dabei einen etwas undeutlichen Zusammenhang mit der späteren Pfarrkirche auf dem Blasiusberg her. In dieser Überlieferung wird sich die Tatsache verbergen, daß sich der Mittelpunkt des religiösen Lebens für die Gegend infolge eines kriegerischen Ereignisses zu christlicher Zeit zwischen den beiden Bergen gewechselt hat. Wenn nun die Blasiuskirche im Jahre 1059 bereits bestanden hat, so muß ihre benachbarte Vorgängerin weit älter sein, zumal den festgestellten Steinmauern ursprünglich wohl sicher die übliche Holzanlage vorrausgegangen ist. Das Gotteshaus auf der Dornburg kann daher bei den Anfängebn der christlichen Missionstätigkeit in unserer Heimat entstanden sein, und da der neue Glauben seine Heiligtümer mit Vorliebe auf dem Boden alter Kultstätten stellt und die Flur bei den Bauresten "Heidenpütz" genannt wird, so ist es sehr leicht möglich, daß vorher eine germanische Gottheit auf dem Berge verehrt worden ist.
Infotafel bei den Grundmauern der Kapelle
  Allerdings läßt sich der Bau der Kapelle auch ohne diese Voraussetzung auf das religiöse Bedürfnis fränkischer Siedler im Bereich der Dornburg zurückzuführen. Die Franken haben nämlich den Ringwall mindestens mehrere Jahrzehnte hindurch besetzt gehalten und ihre Toten in den Reihengräbern bei Wilsenroth beerdigt. Damals benutzte jedoch der Bauer im Allgemeinen die alten Höhenäcker aus keltischer Zeit nicht mehr, weil die fruchtbaren Böden des tieferen Landes dem gesteigerten Pflanzenanbau besser zusagten. Die Besitznahme der Dornburg wurzelt also in militärischen Notwendigkeiten, und diese Tatsache führt zu einem weiteren Versuch, dem Namen einen Sinn abzugewinnen. Nach der ältesten Schreibart für Dorndorf, das im Jahre 772 bereits bestanden hat, ist das heutige "Dorn" aus dem älteren "Thor" gebildet worden. Thor aber, das altdeutsche Tun, soll in der fränkischen Zeit nicht nur einen Bauteil aus Holz oder Stein, sondern ganz allgemein jeden künstlichen oder natürlichen Durchgang sowie den durchschrittenen Raum, also die Grenze zwischen zwei Orten oder Gebieten, bedeutet haben. Die Franken können daher die Dornburg als Thorburg, als Burg an der Grenze, bezeichnet haben, weil dieser Name noch in der frühen Karolingerzeit der wirklichen Tatsache entspricht.
  Wenn nämlich der Westerwald auf den Geschichtskarten die Farbe des fränkischen Reiches trägt, so sind damit die richtigen Verhältnisse nicht klar kenntlich gemacht. Das Gebirge ist vielmehr seit dem Rückzug der Kelten aus klimatischen Gründen und im Sog der Völkerwanderung zu einem urwaldartigen Niemandsland geworden, und erst im neunten Jahrhundert beginnen sich die fast menschenleeren Wälder mit der Gründung des Stiftes Gemünden merkbar zu lichten. Der Ringwall liegt also tatsächlich an einer Grenze des fränkischen Wohnraumes und hat die Aufgabe übernommen, das Limburger Becken mit den frühen Ortsanlagen bei Ahlbach, Dauborn, Dehrn, Diez, Niederbrechen, Niederselters, Runkel und Steeden durch seine Sperrkraft als vorgeschobener Stützpunkt vor Überfällen aus dem Hochland zu schützen. Mit einer solchen Deutung ist auch in Einklang zu bringen, daß Dorchheim und Dorndorf, die am östlichen und westlichen Rande der Kulturfläche im Elbtal liegen als Siedlungen an der Grenze bezeichnet werden. Die nicht als ganz sichere Voraussetzung dabei ist allerdings, daß das Wort "Thor" wirklich im übertragenen Sinne für ein bestimmtes Gebiet üblich gewesen ist.
  Diese Übersicht über die Versuche. den Namen Dornburg zu erklären, ist keineswegs vollständig, aber sie macht wohl hinreichend mit den großen Schwierigkeiten vertraut. Obwohl der Berg eine der frühesten Ausgrabungen auf deutschen Boden erlebt hat, sind heute noch auch in sachlicher Hinsicht nur Bruchstücke eines echten Wissens vorhanden, und das geschichtliche Gesamtbild des Ringwalles beruht fast völlig auf Rückschlüssen, die von ähnlichen und besser durchforschten Wehranlagen ausgehen. Bisher sind die Gefäßreste, Mahlsteine und Spinnwirtel keinem bestimmten Volk oder Zeitraum zuzuordnen, andere Dinge, wie eine Harnischkappe, sind vielleicht schon in ihrer Bestimmung nach falsch gedeutet, und die Münzen, über die kein einziger einwandfreier Fundbericht vorliegt, können gleichfalls nicht zur Klarheit führen. Es ist daher nicht mit unbedingter Sicherheit zu entscheiden, ob eigentlich die germanischen Chatten, die keltischen Bojer oder irgendwelche Stämme der schriftlosen Vorzeit den Berg befestigt haben, und auch heute noch wird in einem Heimatbuch die Ansicht vertreten, daß die Trümmer des Ringwalles Reste eines römischen Standlagers darstellen. Solange eben nicht der Spaten des Wissenschaftlers den Boden durchforscht und ein möglichstes Maß an Sicherheit verschafft, sind die wirklichen Kenntnisse leider wenig von geschichtlichem Wert der romantischen Sage über eine reiche Bergstadt entfernt. Im Interesse der Heimatkunde aber ist es tief zu bedauern, daß die Dornburg als hochwertiges Zeugnis aus versunkenen Tagen des Westerwaldes immer wieder mehr oder weniger glaubhaften Deutungen ausgesetzt ist und echter Forschung unzugänglich bleibt.


 Quellenangeben und sonstige Informationen

 
Quellenangeben und sonstige Informationen
Text Kapitel III
Bildunterschrift
Sondertext
Text Kapitel III