Eingestellt am 06.03.2018 von hf; Verfasst um ???? von Norbert Horn (1911-1986);
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Vorwort
  Vor über 50 Jahren verfasste der Historikers Norbert Horn eine chronologische Abhandlung über den geschichtlichen Werdegang unserer Heimat, es ist eines von fast 200 Werken des Heimatforschers und die Veröffentlichung dieses Werkes über Dorchheim und Umgebung soll uns an den 107ten Jahrestag seiner Geburt erinnern. Der geneigte Leser dieses Artikels möge eventuelle Übertragungs- und Rechtschreibefehler nicht allzu kritisch beurteilen, da die Übersetzung einer mir nicht geläufigen Handschrift doch einige Tücken in sich birgt und die Rechtschreibung auch nach dem damaligen Stand belassen wurde. Im Besonderen sei darauf hingewiesen, dass sich mit diesem Werk auch der nicht so versierte Laienhistoriker ein gewisses Grundwissen über die Geschichte unsere Heimat aneignen kann und ist gerade deshalb auch für gewisse Mitglieder eines Ortsansässigen Vereins bestens geeignet.


Inhaltsverzeichnis:

1. Dorchheims Vergangenheit


1207 (1211/15/20) Von den Anfängen bis zu den ersten belegbaren Zeugnissen
1215 Eberbach, Seligenstatt (WW)
1272 a Marienstatt, Kuno von Weilburg
1272 b Marienstatt, Patronatsrecht der Dorchheimer Kirche
1276 Marienstatt, Patronatsrecht der Dorchheimer Kirche in drei Händen
1283 Guda von Weilburg
1287 Dorchheimer Zehnt nicht mehr zur Pfarrei Bleseberg
1320/21 Dorchheimer Patronatsrecht, Ritterorden, Marienstatt, Bleseberg
1326 6 Solidus an den Archidiakon zu Dietkirchen und Münzwesen
1331 8 Mark gehen an Berta von Westerburg, in Waldmannshausen 93 Mark an G. von Schönborn
1332 Lehnsanteile von Dorchheim an Gottfried von Bicken
1337 Diezer Grafen verkaufen den Zehnt Bleseberg an Nassau-Hadamar
1348 Westerburger Grafen übertragen ihr Gut in Dorchheim an Gottfried von Bicken
1359 Westerburger Zehnt in Dorchheim wird Hessisches Lehn
1366 Adlige von Offheim tragen Runkler Grafen ihren Besitz in Dorchheim zu Lehn auf
1367 Dorchheim geht mit der Herrschaft Ellar von Nassau-Hadamar an Katzenelenbogen
1408 Dorchheim unter doppelter Landeshoheit (Nassau und Katzenelenbogen)
1461 Gilbracht von Schönborn erhält jährlich 3 Gulden von Nassau-Dillenburg
1469 Trierer Erzbischof befiehlt, dass ein Marienstätter Mönch seinen Wohnsitz in Dorchheim nimmt
1471 Dorchheimer studiert in Erfurt
1472 Weiher zu Nickendich besitzen aus Waldmannshäuser Waltbotenerbschaschft ein Hof in Dorchheim
1479 a Belehnung Gilbrachts von Schönborn wird erneuert
1479 b Katzenelenbogener Erbe gelangt an Nassau und Hessen
1480 Gadelheimer Mühle bei Dorchheim
1506 Graf Johann von Wied überschreibt seiner Gattin einen Hof in Dorchheim
1518 Limburger Georgenstift vertauscht Dorchheimer Höfe mit Marienstatt
1520 Dorchheimer Nikolauskirche erhält spätgotische Stilteile
Um 1530 Verbreitung der Lehre Luthers in der Herrschaft Ellar


2. Quellenangabe im Überblick

xx




 Dorchheimes Vergangenheit


 
 Eine chronologische Abhandlung unserer Heimat von den Anfängen bis zur Reformation


Unser Dorf

von Norbert Horn (1911-1986)
1207 (1211, 1215/20)
In Dorchheim (1) findet bei der Kirche (2) eine Versammlung (3) der Einwohner (4) statt, in der Daniel von Hadamar umfangreichen Grundbesitz (5) an die Abtei Eberbach (7) übergibt (8).
(Roth, Geschichtsquellen des Niederrheingaus Bd. III S. 354)

  1. Der Ursprung des Ortes ist im Dunkel der schriftlosen Zeit verborgen, und nur die Deutung des Namens gestatten eine ungefähre Zeitangabe. Die Endsilbe "Heim", die zuerst im Jahre 772 für das benachbarte Heuchelheim urkundlich belegt ist, bildet ein Kennzeichen für Siedlungen des fränkischen Stammes. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass die fränkische Gründung eine weit ältere Ortsanlage überdeckt hat. Das Elbtal ist, wie aus dem Kistengrab bei Niederzeuzheim hervorgeht, bereits in der Jungsteinzeit vor mindestens 4000 Jahre bewohnt gewesen, und die mächtigen Wehrbauten auf der Dornburg mit mehr als 10000 cbm Mauerwerk, die von einem unbekannten Stamm errichtet worden sind, setzen in der späten Eisenzeit eine starke Bevölkerung für die ganze Gegend voraus. Gerade bei der Dornburg ist es durch Funde und Reihengräber durchaus sicher, dass sich die Germanen unmittelbar auf keltischem Kulturboden niedergelassen haben. In diesem Falle können jedoch militärische Gründe entscheidend gewesen sein, und es ist zweifelhaft, ob noch weitere Siedlungen das stürmische Gefälle der Wanderzeit überstanden haben. Dazu kommt noch, dass die Kelten und frühen Germanen als ausgesprochene Weidebauern Wiesen und gangbaren Laubwald für ihre Herden suchen und den Ackerbau auf schwerem Lehmboden nicht lieben. Dorchheim als Dauersiedlung ist also nach dem heutigen Stand der Heimatkunde eine fränkische Anlage und kaum vor dem fünften Jahrhundert entstanden. Der Flurname "Heidenstück" deutet auf vorchristliche Anfänge, aber der zweite Bestandteil des Ortsnamens kann nicht als Altershinweis gelten. Eine Ableitung aus der germanischen Götterlehre, zu der die Häufung von Namen mit Anklängen an Donar, Frigge und Ziu verleitet hat, ist nämlich nicht möglich. Gewiss finden sich im Reich der Merovinger auch nach der Taufe Chlodewigs nur wenige wirkliche Christen, und noch im Jahre 738 ist auf dem Westerwald viel alter Kulturbrauch lebendig, aber es hat sich doch kein Franke gewagt, sein Heim öffentlich unter den Schutz der verfemten Götter zu stellen. Man hat nicht nur den Kult der Asen aufgegeben, sondern sogar das blasse Aussprechen ihrer Namen bald scheu vermieden, weil diese Gottheiten in ihrer Macht nicht angezweifelt werden und sich nur aus guten Wesen in böse Geister verwandelt haben. Wo sich echte Anklage an die vorchristlichen Lehr findet, wie in den Sagen von der Dornburg und dem Heidehäuschen, ist kein Name für eine bestimmte Gottheit erhalten. Zudem ist in keiner Schreibweise des Ortsnamens der für ein "Donarsheim" notwendige Buchstabe N enthalten, und die nordische Form Taer für den Donnergott ist den westgermanischen Stämmen völlig unbekannt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit steckt in der Benennung des Dorfes das Wurzelwort "durch", was auch die Mundart zum Ausdruck bringt. Der Ort liegt an einem Querweg durch die Mulde am mittleren Elbbach, der die beiden alten Strassen auf den Höhenrändern östlich und westlich des Tales miteinander verbindet. Die östliche Strasse, nach der noch bei der Flurbereinigung 1788 ein Gemarkungsteil genannt wird, führt über die Haselhecke, überschreitet bei der mittleren Gadelheimer Mühle den Lasterbach und läuft unter dem Mühlhölzchen, dem früheren Wolfsberg, nach Norden hin. Die westliche Strasse dagegen berührt die Dorchheimer Gemarkung nicht. Die beiden Strassen sind durch einen Querweg verbunden, an dem Dorchheim emporgewachsen ist. Eine solche Lage an einem durchgehenden Weg ist jedoch im frühen Mittelalter ungewöhnlich, weil die Ortschaften fast ausnahmslos nur durch eine Sackgasse mit den grossen Verkehrslinien verbunden sind. Diese merkwürdige Tatsache ist durchaus begründet, dass die Strassen damals den Höhen folgten und aus technischen Gründen feuchtes Gelände meideten, während die Siedler das Wasser für Haus und Hof nicht entbehren können. Die Dörfer, die mit Ausnahme weniger Dinge wie Salz und Eisenwaren ohne den Fernverkehr lebensfähig sind, halten sich daher abseits von den wirklichen Strassen, und die Lage Dorchheims unmittelbar an einem durchgehenden Weg wird als Sonderfall in dem Ortsnamen zum Ausdruck gebracht.

  2. Die Kirche, die am Westrand Dorchheims bei den Gräbern der Gemeinde treue Totenwache hält, bildet ein ehrwürdiges Denkmal für das religiöse Leben unserer Ahnen, und ihre Geschichte ist in vielen Jahrhunderten untrennbar mit den Geschicken des Dorfes verbunden gewesen. Die starken Mauern sind in Art einer Ähre aus Bruch- und Feldsteinen aufgeschichtet und verraten durch die runden Bogen der kleinen Fenster, dass die Bauzeit der Kirche von romanischem Kunstgefühl beherrscht worden ist. Ein niedriges Seitenschiff, das früher an der Nordwand die schlichte Bauweise auflockerte, erinnert an den schützenden Niederlass des Westerwälder Bauernhauses, und zu einem weiteren Zeichen für die enge Bindung von Jenseits und Diesseits in den Denkformen des Mittelalters grenzt die Kirche unmittelbar an die einstige Versammlungsstätte der Gemeinde unter dem Laubdach der alten Linde. Neben den Merkmalen des romantischen Kunstgefühls gibt es für die Bauzeit der Kirche noch einen weiteren wesentlichen Anhaltspunkt. Der heilige Nikolaus, zu dessen Ehre sie errichtet wird, hat nämlich vor dem Jahre 1087 keine Heimstätte in Deutschland und findet dann bei den Schiffern und den Fischern seine besondere Verehrung. Sein Kult, der in den Kinderfeiern vorchristliches Brauchtum aufgreift und sich rasch verbreitet, ist wahrscheinlich durch die Herren von Waldmannshausen im Elbtal bekannt geworden. Am Rhein, wo die ersten Nikolausaltäre geweiht werden, ist dieses Geschlecht mindestens seit 1136 ansässig, und Friedrich von Waldmannshausen hat sich am Aufbau des Klosters Seligenstatt bei Seck, das dem Schutz des heiligen Nikolaus anvertraut ist, 1212 mit einer grosszügigen Schenkung beteiligt. Es steht ausser Zweifel, dass man auf der Burg am Elbbach auch das Gotteshaus zu Dorchheim bei den frommen Spenden nicht vergessen hat, und die Steinplatte unter der Kanzel bildet heute noch einen sichtbaren Beweis dieser Verbundenheit.

  3. Bei dem geringen Umfang schriftlicher Tätigkeit dient die Versammlung der Dorfbewohner als Behörde zur Entgegennahme privatrechtlicher Abmachungen. Bei Streitigkeiten über solche mündlichen Verträge entscheidet das Gericht im Reckenforst bei Dietkirchen unter dem Vorsitz des Grafen von Diez, der auch im Auftrage des Königs alle Strafsachen dort aburteilt. In Dorchheim kennzeichnet heute noch die alte Linde den Versammlungsort der Gemeinde. Bereits in germanischer Zeit wird dieser Baum als Wahrzeichen einer Gerichtsstätte betrachtet.

  4. An der Versammlung nehmen Lenfried, der Schwestersohn Daniels von Hadamar, Wigand, Dagmar, Rudolf und Engelfried sowie mehrere nicht namentlich genannte Einwohner Dorchheims teil. Da es sich bei den Teilnehmern um Familienhäupter handelt, so hat Dorchheim damals etwa 50 freie Einwohner gehabt, wozu noch eine unbestimmte Zahl von Hörigen und Leibeigenen kommt. Familiennamen wie der Weise, der Einäugige, der Lange, der Schiffer werden damals langsam üblich, ohne sich noch allgemein durchgesetzt zu haben. Ihr Aufkommen deutet auf eine erhebliche Zunahme der Bevölkerung, bei der die blossen Vornamen zu einer eindeutigen Kennzeichnung nicht mehr genügen.

  5. Daniel stammt aus dem Adelsgeschlecht von Hadamar, das mit zahlreichen Familien der Umgebung, auch mit den Dorchheimer Edelleuten, versippt ist. Er befindet sich wie noch viele seiner Standesgenossen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage und muss über 75% des Erlöses zur Deckung seiner Schulden verwenden. Später verkauft er noch weitern Grundbesitz und tritt an die Abtei Eberbach alle Ansprüche ab, die er auf Güter der Ägidiuskapelle in der Gemarkung Frickhofen geltend machen kann.

  6. Der Grundbesitz umfasst 37,5 Joch. Der Unterschied zwischen Joch und den gleichzeitig genannten Morgen ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich ist die Größe der beiden Feldmasse gleich, und Joch bezeichnet eine Fläche von beliebiger Nutzart, während Ackerland nur in Morgen gerechnet wird. Nach den späteren nassauischen Massen werden 160 Ruten = 0,40 ha auf den Morgen gerechnet. 37,5 Joch umfassen also 15 ha. Die Kaufsumme dafür beträgt 25 Mark. Die Mark ist nach Kölner Währung, die damals hier gültig ist, 234 Gramm Münzsilber schwer und wird in 12 Solidus oder 144 Denare geteilt. Der Hektarpreis stellt sich also auf 1 Mark und 8 Solidus und beweist, dass die Kaufkraft des Geldes bei geringem Münzumlauf ausserordentlich hoch ist. Bei dem späteren Verkauf erhält Daniel sogar für 4,5 Joch nur 10 Solidus und für 0,5 Morgen 1 Ferte oder 3 Solidus.

  7. Die Zisterzienserabtei Eberbach erhält im Jahre 1190 ihren ersten Grundbesitz in der hiesigen Gegend und gründet in Hadamar einen Besonderen Klosterhof. Sie ist wirtschaftlich äusserst rege und verfügt über Häuser, Hofreiten, Mühlen, Hörige, Baumgärten, Gehölze, Gewässer, Zehnten und weit mehr als 300 Joch oder Morgen landwirtschaftliche Nutzfläche. Zu ihren Wohltätern gehört Sigfried von Waldmannshausen, der schlieslich als Laienbruder in den Orden eintritt. Seine Schenkung, ein Hof in dem verschwundenen Gernbach unterhalb der Dornburg, wird für 23 Morgen und den dritten Teil einer Talfläche bei dem Hadamarer Klosterhof von Ernst von Waldmannshausen wieder eingetauscht. Als weitere Wohltäter werden noch Kuno von Waldmannshausen und die Brüder Gumpert, Hartmann und Rudolf von Sleide, bei der heutigen Schlaudermühle bei Dorndorf, sowie 1327 die Beguine Hildemudis von Waldmannshausen, eine Bürgerin der Stadt Limburg, genannt. Grösseren Grundbesitz erwirbt die Abtei in Dorndorf mit knapp 58 Joch und in Heuchelheim mit einem jährlichen Pachtbetrag von 7 Maltern oder rund 10 Doppeltzentner Brotgetreide. Kleinere Liegenschaften, bei denen wie auch schon bei den Liegenschaften des frühen dreizehnten Jahrhunderts die Aufsplitterung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes in Trennstücke bis zu einem halben Morgen festzustellen ist, liegen in den Gemarkungen Frickhofen, Oberludenhausen bei Dorndorf, Niederzeuzheim, Hangenmeiligen und vielleicht in Elbgrund. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Wiese der Gräfin in Mühlbach, die mit 20 Mark bewertet wird und daher mindestens 20 Hektar umfasst, zu diesem Dorf gehört oder einem Gemarkungsteil von Hadamar bildet. In dem Güterverzeichnis der Abtei aus der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts wird Mühlbach-Elbgrund nicht genannt.

  8. Der Rechtsvorgang bei der Übergabe ist sehr verwickelt. Zunächst erfolgt die Zahlung des Kaufpreises unter der Bedingung, dass das Rückkaufsrecht für den Käufer und seine Erben in 8 Jahren erlischt. Dann verzichtet Daniel, seine Gattin und sein Sohn Lenfried in Waldmannshausen vor den Zeugen Ernst von Waldmannshausen, seinem Sohn Konrad und Daniels zweiten Sohn Rüdiger auf den Besitz, den die Abtei unter Vorbehalt des Rückkaufsrechtes innerhalb von 8 Jahren nun von Herrn Friedrich, vermutlich dem Waltboten der Grafschaft Diez, als Eigentum erhält. 7 Jahre später erfolgt auf dem Klosterhof zu Hadamar vor dem Abt Theobalt, dem Priester Albert von Salz und den Ordensbrüdern der Niederlassung der gleiche Verzicht, dem sich dann die endgültige Bestätigung des Vertrages und die Übergabe zu Dorchheim anschliessen. Diese Handlung wird gerade in Dorchheim vorgenommen, weil Lenfried, der dort wohnt, als Schwestersohn Daniels Erbansprüche auf den veräusserten Besitz erheben kann. Es wird ihm durch seine Teilnahme an der Versammlung die Möglichkeit entzogen, später Unkenntnis zu behaupten und den Verkauf anzufechten. Es ist nämlich sehr häufig bei dem Erwerb von Grundbesitz durch eine geistliche Körperschaft festzustellen, dass Rechtsstreitigkeiten daraus entstehen oder Nachforderungen von anderen Familienangehörigen befriedigt werden müssen. So hat die Abtei Eberbach bereits 1197 für eine Wiese in Mühlbach, die ursprünglich eine Schenkung der Gräfin Elise von Nassau bildet schliesslich fast den vollen Wert bezahlen müssen. Auch der Neffe des Ordensbruders Gumpert von Sleide, der bei der Übergabe zu Dorchheim die Abtei vertritt, fechtet später eine Schenkung seines Oheims an, und während der Teilnahme des Grafen vor Diez an einem Kreuzzug sind die Mönche sogar gewaltsamen Übergriffen unzufriedener Erben ausgesetzt.

1215
Ruckerus (1) von Dorchheim (2) ist bei dem Verkauf einer Mühle (2) des Klosters Seligenstatt (4) an die Abtei Eberbach unter den Zeugen der Urkunde.
(Kremer, Origines Nassoicae Bd. II 3, 259)

  1. Ruckerus ist als Vorname stammverwandt mit Rüdiger und dient den Familiennamen Rücker, Ruckes, Rick und ähnlichen Bildungen als Wurzel.

  2. Ruckerus stammt aus dem Geschlecht der adeligen. von Dorchheim und steht sicherlich mit Lenfried, dem Neffen Daniels von Hadamar in verwandtschaftlichen Beziehungen. Die Fami1ie wird während des dreizehnten Jahrhunderts äusserst selten erwähnt und hat daher, mindestens soweit die schriftlichen Unterlagen reichen, ausserhalb des Dorfes keine Bedeutung gehabt oder über grösseren Grundbesitz verfügt. Ruckerus gehört ebenso wie sein Mitzeuge Anselmus von Thalheim zum niederen Adel, der sich aus zwei Schichten, den ehemaligen fränkischen Freibauern und den Dienstleuten des Hochadels, zusammensetzt. Da die Adelsfamilie als Stammgut den Freihof zu Dorchheim besitzt, ist ihre Abstammung vor dem fränkischen Gründer oder Umgestalter des Dorfes sicher. Daneben ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass Ruckerus, der unter den weltlichen Zeugen seine Unterschrift hinter Siegfried von Runkel und Heinrich Vogt von Irmtraut setzt, in einer Lehnbindung zu dem Hause Runkel-Westerburg steht. Heinrich Vogt von Irmtraut ist bestimmt ein Dienstmann des Herrn Siegfried und muss such die Vorschrift gefallen lassen, seine Frau nur aus den Familien der Burgmannschaft zu Westerburg zu wählen.

  3. Der Verkauf erfolgt, weil die Mühle in Hadamar für einen nutzbringenden Eigenbetrieb zu weit von dem Kloster Seligenstatt bei Seck entfernt ist. Um diese Begründung zu verstehen, muss man die damaligen Verkehrsverhältnisse berücksichtigen. Die einzigen Waren, die über weitere Strecken befördert werden, sind Salz und Eisen, und hierfür genügen bei der geringen Volkszahl Saumpfade ohne Kunstbau. Solche Strassen, an deren Zustand noch der Wegteil "Kniebrecher" erinnert, sind nur für den Lastverkehr durch Tragtiere geeignet und zu bestimmten Jahreszeiten überhaupt nicht gangbar. Diese Schwierigkeiten veranlassen den Verkauf, bei dem keine einmalige Zahlung angenommen wird, sondern eine dauernde Leistung, der Abtei Eberbach von jährlich 12 Malter Roggen nach Limburger Mass und 12 Kölner Denaren festgelegt wird. Die Getreidemenge entspricht etwa 15 bis 16 Doppelzentnern, die 12 Denars ergeben einen Solidus. Kloster Seligenstatt liegt in einem Gebiet, wo die Viehzucht das Schwergewicht der Landwirtschaft bildet, und such daher seine regelmässige Versorgung mit Brotgetreide sicherzustellen.

  4. Kloster Seligenstatt ist um 1212 für Nonnen des Bendiktinerordens gegründet worden, Heinrich von Waldmannshausen ist Zeuge bei der Bestätigung des Klosters und hat die Gründung durch das Geschenk eines Hofes in Stocken wesentlich gefördert. 1297 und 1301 überlässt Beatrix von Elsoff dem Kloster Einkünfte in dem verschwundenen Ort Brechelbach bei Neunkirchen. 1315 stiftet Ludwig Scherre von Waldmannshausen ein ewiges Licht für die Klosterkirche, und 1329 sind seine Töchter Elisabeth und Heylekin Nonnen in Seligenstatt und kaufen Güter ihres Onkels Anselm. Das Kloster hatte in Langendernbach, Hintermeilingen, Hüblingen und dem verschwundenen Gralshofen bei Ellar Besitzungen. Die Nonnen geraten im fünfzehnten Jahrhundert in drückende Not, sodass das Kloster im Jahre 1495 nicht mehr bestehen kann und verlassen wird.

1272 a
Kuno von Weilburg genannt von Dorchheim (1) verzichtet gegen eine Abfindung auf seine Ansprüche auf die Grundstücke in Dorchheim (2), die Gerlach von Gebhardshain (3) und seine Gattin (4) Imma der Abtei Marienstatt geschenkt haben.
(Struck, Quellen …)
(Vogel, Beschreibung, des Herzogthums Nassau S. 753)
(May, Territorialgeschichte des Oberlahnkreises S. 319)

  1. Kuno von Weilburg, stammt, wie aus dem Beinamen in Verbindung mit seinen Erbrechten zu Dorchheim hervorgeht, aus dem dortigen Adelsgeschlecht. Der Doppelname ist daduroh zu erklären, dass die Herkunftsbezeichnung als Familienname bei dem niederen Adel noch nicht lange zur Sitte geworden ist und bei einem dauernden Wechsel des Wohnsitzes entsprechenden Änderungen unterworfen werden kann. Die Kennzeichnung eines Geschlechtes durch den Ort der Herkunft ist in der hiesigen Gegend zuerst seit 1136 für die Adeligen von Waldmannshausen üblich und wird erst im vierzehnten Jahrhundert zu einem Vorrecht des gesamten Adels. Adelsfamilien, die sich nach Orten im Raume der späteren Herrschaft Ellar nennen, sind während des dreizehnten Jahrhunderts ausser in Dorchheim noch in Dorndorf, Thalheim, Heuchelheim, Elsoff, Waldmannshausen und den verschwundenen Siedlungen Auenrode, Sleide und Oberludenhausen nachzuweisen.

  2. Die zunehmende Zersplitterung des freien Grundbesitzes findet durch das Erbrecht, das jedem Familienzweig für alle Eigentümer des Geschlechtes gewahrt bleibt, ein teilweises Gegengewicht. Eine Veräusserung von Liegenschaften und Rechten hat nur dann bindende Kraft, wenn sie von der Verwandtschaft des früheren Besitzers gebilligt wird. Besonders Grundeigentum untersteht nicht der unbeschränkten Verfügungsgewalt des jeweiligen Besitzers, sondern wird als Eigentum der gesamten Familien betrachtet. Wer also eine Acker- oder Wiesenfläche erwirbt, ist erst nach der Auseinandersetzung mit dem Verwandtschaftskreis rechtlich im freien Genuss des neuen Besitzes. Häufig müssen gerade bei Schenkungen die Erbansprüche durch einen besonderen Vertrag abgegolten werden.

  3. Gerlach stammt aus dem Geschlecht der Ade1igen von Gebhardshain nördlich von Hachenburg. Seine Familie, die sich in zwei Hauptlinien spaltet, gehört zur Lehnsmannschaft der Grafen von Nassau und 1433 - 1487 zur Burgmannschaft in Diez. Nachkommen Gerlachs sind nicht bekannt. Bei Albrecht von Gebhardshain genannt von Lützerode findet sich noch 1337 der bei Kuno von Wei1burg genannt von Dorchheim festgestellte Gebrauch eines Doppelnamens.

  4. Imma hat die Schenkung gemeinsam mit ihrem Gatten vollzogen. Sie hat also ebenfalls Ansprüche auf die Grundstücke in Dorchheim, und das ist nur dann möglich, wenn es sich um ihr mit gebrachtes Heiratsgut handelt. Damit ist ihre Zugehörigkeit zur Adelsfamilie von Dorchheim bewiesen, und ebenso ist ein nahes Verwandtschaftsverhältnis mit Kuno von Dorchheim sicher. Die Frau hat auch nach der Eheschliessung, wie aus zahlreichen Vorkommnissen ähnlicher Art ersichtlich ist, ein gewisses Verfügungsrecht über ihre Mitgift und ist besitz- und rechtsfähig, auch wenn sie fast stets in Gemeinschaft mit ihrem Vater, Gatten, Sohn oder einem anderen männlichen Mitglied ihrer Familie handelt.

  5.  Die endgültige Gründung der Zisterzienserabtei Marienstatt ist 1222 im Tal der grossen Nister erfolgt, nachdem sich die frühere Niederlassung an der kleinen Nister nicht als lebensfähig erwiesen hat. Das Auftreten der grauen Mönche am Lasterbach bedeutet einen Markstein in der Geschichte Dorchheims und hat durch seine wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Folgen das Dorfleben ein halbes Jahrhundert hindurch wesentlich beeinflusst. Die Abtei verfügt schon bald über erheblichen Grundbesitz in vielen Orten des Westerwaldes, so 1272 in Heuchelheim, 1292 in Dorndorf, 1316 in Thalheim, 1346 in Niederzeuzheim, vor 1555 in Frickhofen, und hat besonders von Dorchheim aus, wo der Umfang der Ländereien einen eigenen Betrieb ermöglicht, auf den Gebieten des Ackerbaues, der Viehzucht und der Obst- und Gartenkultur als Vorbild für die gesamte Gegend gewirkt. Auf der anderen Seite ist jedoch auch nicht zu verkennen, dass die Ausdehnung des Klosterlandes die Lebensmöglichkeit des unabhängigen Bauerntums in beträchtlichem Umfange vermindert hat.

1272 b
Kuno von Dorchheim überträgt der Abtei Marienstatt sein Patronatsrecht über die Kirche zu Dorchheim.
(Vogel, Beschreibung des Herzogthums Nassau S. 758)
(Kleinfeld-Weirich, Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Oberhessen und Nassau S. 142)

  1. Das Gotteshaus in Dorchheim ist nicht im Auftrage einer kirchlichen Stelle für die Zwecke der offiziellen Seelsorge erbaut worden, sondern bildet das Werk privater Frömmigkeit und wird daher auch als privates Eigentum betrachtet. Es ist bereits in fränkischer Zeit üblich, dass der Gründer einer Kirche die Befugnis, das Stiftungsvermögen zu verwalten und den jeweiligen Priester vorzuschlagen, zum erblichen Recht in seiner Familie erklärt. Er hat dafür auch die Pflicht, die Kirche, ihren Besitz und ihre Priester, die nach germanischer Auffassung nicht wehr- und deshalb nicht rechtsfähig sind, vor den weltlichen Behörden zu vertreten. Dieses Patronatsrecht, das durch die Verwaltung des Kirchengutes die Möglichkeit für persönliche Vorteile bietet, gehört in Dorchheim zum Besitz des einheimischen Adelsgeschlechtes, und deshalb ist der Gründer der Kirche einer der unmittelbaren Vorfahren des Ruckerus oder des älteren Lenfried in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts gewesen.

1276
Kuno von Weilburg-Dorchheim, Ritter Lenfried von Dorchheim (1) und die Abtei Marienstatt haben das Patronatsrecht über die Kirche zu Dorchheim in gemeinsamem Besitz (2).
(Vogel, Beschreibung des Herzogthuns Nassau 5. 758)

  1. Ritter Lenfried, vielleicht ein Enkel des 1207 (1215/20) genannten Lenfried, ist der letzte feststellbare Schwertträger seines Geschlechtes. Er wird als Ritter bezeichnet, eine Würde, die nicht unbedingt mit dem Adel verbunden ist. Sie setzt adelige Herkunft voraus und verlangt die Ausbildung in bestimmten militärischen und gesellschaftlichen Formen, die für das gesamte frühe Abendland allgemein gültig sind. Das Rittertum als Standesidee kennt keinen Unterschied zwischen dem hohen und niederen Adel und betrachtet die persönliche Ehre, die mit den Begriffen der Treue, Tapferkeit und Freiheit verbunden ist, als das einzige Wertmass eines männlichen Lebens. Natürlich ist dieses Ideal nur in den wenigsten Fällen erreicht worden, und auch der Ritter hat bei der Schrumpfung der Familiengüter durch Teilung, Schenkung und Verkauf alle Veranlassung, sich eindringlich mit der praktischen Seite des Daseins zu beschäftigen. Lenfried von Dorchheim hat in dieser Hinsicht die gleichen Sorgen wie seine Standesgenossen gehabt. Er besitzt kaum noch mehr als den Freihof oder vielleicht auch nur noch einen Teil von diesem Stammgut seines Geschlechtes. In fränkischer Zeit hat ein einfacher Bauernhof, der Hufe oder mansus genannt wird, im Regelfall eine Grösse von etwa 12 ha, Aber es gibt jetzt bereits bäuerliche Betriebe mit Halb- und Viertelshöfen, und der wachsende Volks druck, der die Betriebsfläche in Trennstücke von 0,2 ha zerreisst, hat auch den Kreis des Adels nicht verschont. Es ist klar, dass unter solchen Umständen die romantische Vorstellung von dem Leben und Treiben des Ritters auf seiner stolzen Burg für Dorchheim in keiner Weise zutrifft. Ein solcher Bau hat nie in dem Dorf bestanden. Der Adelssitz auf dem Freihof hat sich nur durch seine Grösse und vielleicht noch durch einen festen Turm und einen stärkeren Palisadenzaun von den Bauerngehöften mit Strohdach und Fachwerkwänden unterschieden. Bauten solcher Art sind gemeint, wenn die Urkunden des Mittelalters von Burgsitzen sprachen. Der gesamte Raum der Herrschaft Ellar kennt nur zwei wirkliche Burgen, und davon ist Ellar eine Landesburg im Besitz der Hoheitsträger gewesen, und die Reste der Wasserburg Waldmannshausen machen im Vergleich zu der grossen Bedeutung des Geschlechtes einen recht bescheidenen Eindruck. Über die Lage des Burgsitzes in Dorchheim sind nur Vermutungen möglich. Allgemeine Erwägungen sprechen dafür, dass die Wohn-und Wirtschaftsgebäude des Freihofes sich in der Nähe des späteren Klosterhofes befunden haben. Von hier lässt sich das Hinter- und Niederfeld, das als bester Boden zuerst unter den Pflug genommen worden ist, gleich bequem erreichen, und ebenso ist der Bach, der bei dem späteren Strassenbau aus seiner einstigen Richtung gleichlautend mit der Obergasse abgelenkt worden ist, in günstiger Nähe. Der zweite tiefere Keller des Klosterhofes, der anderes Mauerwerk aufweist wie die anderen Teile, kann daher noch von dem alten Burgsitz stammen.

  2. Kuno von Dorchheim ist nicht im alleinigen Besitz des patronatsrechtes und Ritter Lenfried weigert sich, auf seine Ansprüche zu verzichten. Daraufhin macht auch sein verwandter die Schenkung wieder rückgängig, und es wird ein Vertrag, abgeschlossen, der allen drei Parteien gleiches zusichert. Der Anteil der Abtei Marienstatt stammt entweder aus dem Erbteil Immas oder bedeutet ein freiwilliges Zuggeständnis der beiden anderen Vertragspartner. Lenfried hat keine Söhne oder vielleicht überhaupt keine Nachkommen, da sonst deren Einverständnis erforderlich ist.

1283
Guda wird als Witwe Kunos von Dorchheim erwähnt (1).
(May, Territorialgeschichte des Oberlahnkreises S. UI)

  1. Guda stammt aus dem Adelsgeschlecht von Weilburg. ihr Heiratsgut muss so beträchtlich gewesen sein, dass sich ihr Gatte damit eine neue wirtschaftliche Grundlage schaffen und das Stammdorf seines Geschlechtes verlassen kann. Der Anteil Kunos an dem Patronatsrecht scheint entsprechend seinen früheren Absichten nach seinem Tode an die Abtei Marienstatt Übergegangen zu sein, da von späteren Ansprüchen der Weilburger nichts bekannt ist. Die Adeligen von Weilburg gehören zu den Lehnsleuten die Herren von Merenberg, Runkel und Limburg. Träger des Namens sind noch aus dem späten vierzehnten Jahrhundert bekannt.

1287
Der Zehnten (1) Dorchheim gehört nicht mehr zu den Einkünften der Pfarrei Bleseberg (2).
(Gudenus, CodexDiplomaticus Bd III S. 1168)

  1. Der Zehnten ist Abgabe des zehnten Teiles vom Ertrag der landwirtschaftlichen Betriebe und dient dazu, die kirchlichen Bedürfnisse zu befriedigen und den Unterhalt der Geistlichen sicherzustellen. Beim grossen Zehnten wird jede zehnte Garbe Weizen, Roggen, Gerste oder Hafer abgegeben. Der kleine Zehnten umfasst Flachs, Ölfrucht, Erbsen, Linsen, Hirse, Rüben und Gemüse, soweit, was im Regelfall damals nur für Flachs zutrifft, feldmässiger Anbau vorliegt. Der Blutzehnten erstreckt sich auf jedes zehnte Füllen, Kalb, Ferkel, Lamm, Zicklein und Küken und ist für das dreizehnte Jahrhundert im mittleren Elbtal nicht nachzuweisen. Der Heuzehnten wird von den Wiesen erhoben. 1197 zahlt die Abtei Eberbach 2 Mark, um eine Wiese in Mühlbach, die mit 20 Mark bewertet wird, von den Heuzehnten zu befreien. Eine Ablösung dieser Belastung eines Grundstückes ist also möglich, wird aber nur selten und in geringem Umfang vorgenommen. Trotzdem sind die ursprünglichen Zehntempfänger, nämlich die Pfarreien bereits im Hochmittelalter nicht mehr im Genuss dieser Abgabe, weil diese einträglichste Besteuerung des Einkommens einen starken Anreiz auf den Hochadel ausübt.

  2. Die Pfarrei Bleseberg, deren spätere Pfarrkirche auf dem Blasiusberg bereits in Jahre 1059 bestanden hat, ist ebenso wie die Pfarrei Niederzeuzheim im Jahre 1231 durch Graf Heinrich von Nassau dem Deutschen Ritterorden geschenkt worden. Unter seinen Nachfolger Otto entsteht jedoch ein Streit über den Umfang dieser Schenkung, und im Jahre 1255 erhebt der Orden eine Klage gegen den Grafen, seinen Sohn Heinrich, Ludwig, von Waldmannshausen, Heinrich von Heuchelheim und 10 andere Ritter, weil ihm 310 Malter Roggen, über 2oo Malter Hafer und 2 Pferde geraubt worden sind. Die Beschuldigten werden aus der Kirche ausgeschlossen, und bei weiterer Widersetzlichkeit soll an allen Orten, wo sie sich aufhalten, jede priesterliche Tätigkeit eingestellt werden. Trotz dieser Drohung kommt erst 2 Jahre später eine Einigung zustande, bei der sich Ritter Reinboldo von Thalheim als Zeuge befindet. Danach gehören nur noch die Zehnten in Frickhofen, Auenrode, Mühlbach, Heuchelheim, Oberzeuzheim, zur Hälfte in Thalheim und zum Teil in Hadamar zu den Einkünften der beiden Pfarreien. In den Dörfern, die der Vertrag nicht nennt, treten folgende weltliche Zehntherrn auf: 1232 die Grafen von Virneburg in Niederzeuzheim, die Grafen von Diez 1333 in Hangenmeilingen, 1335 in halb Thalheim und 1337 in Dorndorf, die Herrn von Westerburg 1335 in Waldmannshausen und 1359 in Dorchheim. Die Zehntherren in den übrigen Pfarrorten Sleide, Oberludenhausen und Gernbach sind nicht bekannt. Also ist in beiden Bezirken mindestens die halbe Landfläche dem Pfarrer nicht mehr zehntpflichtig, und das Aufkommen von etwa 450 Doppelzentnern Roggen und über 2oo Doppelzentnern Hafer in höchstens 2 Ernten auf der Restfläche beweist selbst bei der Möglichkeit einer Übertreibung des Schadens durch den Kläger, dass der Ausfall der übrigen Orte bei dem hohen Stand der landwirtschaftlichen Erzeugung eine schwere wirtschaftliche Einbusse bedeutet.

1320/21
Der Pfarrer von Bleseberg (1) und der Deutsche Ritterorden als Patronatsherr erheben Beschwerde, weil ein Pater der Abtei Mariarienstatt in der Kirche zu Dorchheim priesterliche Funktionen ausübt (2). Es wird ein Übereinkommen getroffen, das die Rechte des Pfarrers (3) und der Abtei in Dorchheim abgrenzt.
(Kleinfeld-Weirich, Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Oberhessen und Nassau S. 142)

  1. Dorchheim gehört ebenso wie Frickhofen, Dorndorf, Mühlbach, Waldmannshausen und die ehemaligen Orte Auenrode, Sleide, Gernbach u und Oberludenhausen zur Pfarrei Bleseberg, die im Jahre 1231 als selbständiger Seelsorgebezirk erwähnt wird. Die Zugehörigkeit Langendernbachs, dass erst 1624 als Filialort angeführt wird und nach der Stiftungsurkunde des Jahres 879 zu Gemünden gehört haben kann, ist zweifelhaft. Die Kirche auf den B1asiusberg ist älter als die Pfarrei und hat bereits im Jahre 1059 bestanden. Ihre einsame Lage auf einer steilen Höhe, die bei strengem Winter den Besuch zu einem wirklichen Opfer für die Pfarrkinder macht, gibt der Vermutung Anlass, dass das Gotteshaus in sehr früher Zeit auf dem Boden einer vorchristlichen Kultstätte errichtet worden ist. Vor dem Entstehen der Landpfarreien haben wie auch in Niederzeuzheim und Lahr Geistliche des Stiftes Dietkirchen als wandernde Seelsorger, von deren Tätigkeit die. Pfaffenwege eine Erinnerung aufbewahren, in der Blasiuskirche gewirkt. Im zwölften Jahrhundert entsteht jedoch das Bedürfnis nach einem ortsansässigen Priester für die wachsende Bevölkerung, und die Aufdeckung, von Bauresten bei der Blasiuskirche sowie die Funde von Schlüsseln, Tellern, Leuchtern und Waffen deuten auf einen Wohnbau bei der Pfarrkirche hin

  2. Bereits im Jahre 1231 ist zwischen dem Pfarrer von Niederzeuzheim und der Abtei -Eberbach ein Streit über die Benutzung der Agidiuskapelle in Hadamar durch die Mönche ausgebrochen, der bis vor den päpstlichen Stuhl getragen wird. Der Weltklerus ist eifersüchtig, darauf bedacht, der Ordensgeistlichkeit ein Eindringen in die Seelsorge zu verwehren. Der Mönch geniesst ohnehin ein grösseres Ansehen bei dem Volk als der Leutpriester, der in vielen Fällen nur über eine notdürftige Bildung verfügt und von fragwürdiger Eignung für seinen hohen Beruf ist. Die Berichte des Cäsarius von Heisterbach über das Treiben der Geistlichen in Elz und Hadamar geben in dieser Hinsicht wertvolle Aufschlüsse, und die örtliche Geistlichkeit ist sich darüber klar, dass bei einer ungehemmten Tätigkeit der Mönche die eigene Stellung bei den Pfarrkindern aufs schwerste bedroht ist. Zeigt doch bereits die Flut der Spenden und Schenkungen an die Zisterzienser, dass der Weltklerus in den Augen der Bevölkerung trotz Beichtpflicht und kirchlicher Strafgewalt keiner Opfer wertgehalten wird.

  3. Die Abtei Marienstatt kann infolge ihres Patronatsrechtes nicht daran gehindert werden, einen beliebigen Priester, also auch einen Ordensangehörigen, mit der Abhaltung des Gottesdienstes zu beauftragen. Die eigentlichen Pfarrrechte jedoch, die in der Vornahme von Taufe, Trauung, Lossprechung und Beerdigung bestehen, dürfen nicht angetastet werden. Jede priesterliche Handlung ausser dem Lesen der heiligen Messe, also die weihe von Kerzen, die Beschwörung böser Geister, die letzte Ölung und ähnliche Verrichtungen sind nur dem Pfarrer gestattet. Diese sorgsame Wahrung der Pfarrrechte, die auch 1335 beim Bau der Kapelle zu Hüblingen für die Mutterkirche in Neunkirchen erfolgt, hat einen sehr realen Grund. Für seine Tätigkeit in der Seelsorge erhält der Pfarrer nämlich als Entgelt die Stolgebühren, und er ist bei der meist sehr mässigen Besoldung durch den Patronatsherrn und der eigenen Pflicht zu Abgaben an die höheren kirchlichen Behörden auf diese Einkünfte dringend angewiesen. Zwar sind Bleseberg und Niederzeuzheim reiche Pfarreien, und allein die Orte Frickhofen, Thaheim, Mühlbach und Hambach (?) liefern dem deutschen Ritterorden jährliche Erträge von 11,5 Mark, aber trotzdem muss der Patronatsherr im Jahre 1254 durch den Erzbischof ermahnt werden, den Pfarrer in Niederzeuzheim ausreichend zu besolden, damit die Seelsorge nicht leidet und die schuldigen Abgaben an den Erzbischof und Archidiakon entrichtet werden können.

1326
Die Abgaben, die der Patronatsherr Marienstatt (1) von der Kirche zu Dorchheim an den Erzbischof von Trier und den Archidiakon zu Dietkirchen zu entrichten hat (2), werden für eine jährliche Zahlung von 6 Solidus (3) von dem Kämmerer des Kapitels übernommen.
(Vogel, Beschreibung des Herzogthums Nassau S. 753)
(Kleinfeld-Weirich, Die Kirchenorganisation in Oberhessen und Nassau S. 14)

  1. Die Abtei Marienstatt ist in den alleinigen Besitz des Patronatsrechtes gelangt. Sie hat das Erbe des ausgestorbenen Adelsgeschlechtes in Dorchheim angetreten und ausser dem Verfügungsrecht über die Kirche auch die gesamten Liegenschaften, deren Kern der bis ins neunzehnte Jahrhundert genannte Freihof bildet, in Besitz genommen. Das günstige Zusammentreffen der beiden Umstände, an einem Ort zugleich Grund- und Patronatsherr zu sein, ruft den Plan hervor, in Dorchheim einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb unter der Leitung eines Ordensgeistlichen zu führen und von hier aus den übrigen Streubesitz in der Umgebung bis nach Seelbach und Villmar hin zu verwalten. Da die Mönche gemäss den Gewohnheiten des Ordens sehr häufig wechseln, und bei jedem Wechsel eine Gebühr zu entrichten ist, so ist die Abtei an einer festen Begrenzung der Summe interessiert.

  2. Das Erzbistum Trier gliedert sich in Archidiakonate, Dekanate (Ruralkapitel, Christianität) und Pfarreien (Kirchspiele). Die Pfarrei Bleseberg gehört zum Dekanat Dietkirchen und den gleichnamigen Archidiakonat. Die wichtigste Befugnis des Archidiakons besteht in der Abhaltung des Sendgerichtes für Geistliche und Laien, wo offenbare Vergehen gegen die Kirchenzucht bestraft werden. Als Beisitzer dienen die Sendschöffen der Pfarrei. Der Pfarrer oder Patronatsherr ist bei der Sendreise zur Bewirtung des Archidiakons und seiner Begleitung verpflichtet. Der Archidiakon erhält die Geldstrafen der Sendurteile und einen Ehrenzins von den Geistlichen zum Zeichen der Unterwerfung unter seine Gerichtsbarkeit.

  3. Das Münzwesen des Mittelalters geht auf das Währungsgesetz Karls des Grossen zurück. Unter seiner Regierung wird das Pfund Silber im Gewicht von 491 Gramm in 20 Solidus oder 240 Denare geteilt. Im elften Jahrhundert wird die Rechnung nach Kölner Mark Silber im Gewicht von 24 Gramm mit 12 Solidus oder 14 Denaren üblich. Die Abgabe von der Kirche in Dorchheim beträgt also 0,5 Mark = 117 Gram Silber. Für diese Summe kann man damals 2 - 2‚5 Doppelzentner Brotgetreide kaufen. Im Teuerungsjahr 1315 kostet allerdings der Doppelzentner Roggen 15 bis 16 Solidus. Für das Übergewicht der Viehzucht in den bäuerlichen Betrieben ist es kennzeichnend, dass 6 Solidus dem Werte von 2 bis 3 Schweinen oder einer Kuh entsprechen. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass ein Schwein bei weitem nicht das heutige Schlachtgewicht und eine Kuh nicht die jetzige Milchleistung aufzuweisen hat.

1331
Zu den 400 Mark Einkünften (1), die Herr Reinhard von Westerburg (2) bei dem Ehevertrag seiner Gattin Berta von Falkenstein Überschreibt, gehören 8 Mark (3) in Dorchheim (4) und Waldmannshausen (5).
(Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte Bd. I S. 133)

  1. 400 Mark mit einer damaligen Kaufkraft von 2000 Doppelzentner Getreide entsprechen einer Jahreseinnahme von heute etwa 75000 DM.

  2. Die Herrschaft Westerburg ist an der oberen Elb aus der Vogtei über das Stift Gemünden entstanden und besitzt ausserdem noch Stützpunkte an der Lahn bei Runkel und Schaumburg. Es liegt daher nahe, eine Verbindung der beiden Gebiete durch das Elbtal zu suchen, wo Westerburg als Grund-und Zehntherr in verschiedenen Orten Ansätze zur weiteren Machtbildung besitzt. Die Spaltung in zwei Linien seit dem Ausgang des dreizehnten Jahrhunderts schwächt jedoch die innere Kraft des streitbaren Geschlechtes, das sich in häufigen Fehden einen gefürchteten Namen macht und dem na nassauischen Vordringen lange Zeit erbitterten Widerstand entgegensetzt. Reinhard von Westerburg, der von 1306 bis 1353 lebt, ist ein treuer Anhänger Kaiser Ludwigs und nimmt an seinen Feldzügen in Italien und an der Donau teil. Ausserdem kämpft er auf einem Kreuzzug gegen die damals noch heidnischen Litauer für den Deutschen Ritterorden. Er ist die Seele des Widerstandes der Westerwälder Grafen und Herrn gegen die Ausdehnungspolitik Kurtriers unter Erzbischof Balduin, und sein Sieg bei Grenzau im Jahre 1347 über das Bürgerheer der Stadt Koblenz bildet den Höhepunkt seiner militärischen Erfolge, die er politisch jedoch nicht ausnutzen kann.

  3. 8 Mark mit einer damaligen Kaufkraft von 40 Doppelzentnern Getreide entsprechen heute etwa 1500 DM.

  4. Der Herr von Westerburg besitzt zu Dorchheim ausser den Zehnten noch Grundbesitz von unbestimmter Grösse.

  5. In Waldmannshausen ist der Herr von Westerburg Eigentümer des Zehnten, den er 1393 für 93 Mark an Gilbracht von Schönborn verpfändet

1332
Gottfried von Bicken (1) besitzt zu Dorchheim ein Lehn des Herrn Reinhard von Westerburg (2).
(Arnoldi, Geschichte der Oranien Nassauischen Länder und. ihrer Regenten Bd. II S. 74)

  1. Die Adeligen von Bicken bei Herborn gehören in vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert zu den reichsten und angesehensten Geschlechtern des Westerwaldes und haben der Ausdehnung der nassauischen Landeshoheit besonders im Raum von Dillenburg erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Ihre Verbindung mit den Herren von Westerburg beruht auf dem gemeinsamen Gegensatz zu dem Haus Nassau.

  2. Das Lehnswesen bildet im Mittelalter die Grundlage des gesamten öffentlichen Lebens. Der Lehnsträger verpflichtet sich durch die Annahme des Lehnsgutes gegenüber dem Lehnsherrn zu bestimmten Leistungen, die sich auf das militärische, politische und wirtschaftliche Gebiet erstrecken. Er sucht fast stets der einseitigen Bindung an einen bestimmten Herrn zu entgehen und dadurch, dass er von verschiedenen Seiten Lehnsgut in Empfang nimmt, ein möglichstes Mass an Bewegungsfreiheit zu bewahren. Als Lehnsherrn treten im Raume der Herrschaft Ellar vom dreizehnten bis sechszehnten Jahrhundert das Reich, Kurtrier, das Bistum Worms, Hessen, die Grafen von Diez, Nassau, Virneburg und Katzeneinbogen, die Herren von Westerburg, Merenberg und Runkel, die Waltboten von Waldmannshausen und das Georgsstift in Limburg auf. Lehnsträger sind neben den genannten Dynasten und den bodenständigen Geschlechtern die Adeligen von Brambach, Hohenberg, Liebenstein, Lünen, Reifenberg, Schönborn, Ulmen, Pfaffendorf, Ahlbach und Irmtraut. Die Entstehung des Lehnswesens im frühen Mittelalter wird auch von den wirtschaftlichen Verhältnissen entscheidend beeinflusst. Vielfach ist der Versuch des Lehnsherrn, unmittelbaren Nutzen aus einem Besitz zu ziehen, durch die Verkehrslage zum Scheitern verurteilt. Der Handel ist von derart untergeordneter Bedeutung, dass kaum ein Bedürfnis nach echten Strassen vorhanden ist. Ein Fernverkehr, der Wagen für Massengüter verlangt, ist noch lange nach der Jahrtausendwende unbekannt. Auf der anderen Seite aber bestehen die Erträge eines Gutes oder eines Rechtes in der Regel aus Getreide, dessen Beförderung in Traglasten bei weiten Strecken einen erheblichen Arbeitsaufwand verlangt. Es wäre zum Beispiel für den Bischof von Worms wirtschaftlich untragbar gewesen, von seinem Besitz in Mühlbach etwa 20 Doppelzentner Roggen auf mindestens der gleichen Zahl Esel und in Begleitung von einigen Knechten nach dem Rhein zu befördern, und auf der anderen Seite ist das Getreide vor dem Beginn einer wirklichen Geldwirtschaft nur in den Städten selbst verwertbar gewesen. Als aber diese Voraussetzung erfüllt ist, bildet das Lehnswesen einen festen Bestandteil des öffentlichen Lebens. Unter solchen Umständen ist es vorteilhafter, auf die eigene Nutzung abgelegener oder unbedeutender Einnahmen zu verzichten und dafür die militärische und politische Gefolgschaft durch Lehnsleute zu verstärken.

1337
Dorchheim gehört zur Zent Bleseberg (1), den die Grafen Gerhard und Gottfried von Diez (2) samt den Zenten Lahr (3) Niederzeuzheim (4) Elsoff (5) der Burg Ellar (6) und allen Hoheitsrechten (7) für 1400 Mark (8) an Graf Johann von Nassau-Hadamar (9) verkaufen.
(Arnoldi, Geschichte der Oranien Nassauischen Länder und ihrer Regenten Bd. 1 S.99 und Bd. II S.?)

  1. Der Zent ist eine Einheit von mehreren Dörfern und deckt sich in vielen Fällen mit dem Umfang einer Pfarrei. Seine Verwaltungsbehörde ist der Zentgraf oder Schultheis, der öffentliche Abgaben und Dienste regelt, privatrechtliche Abmachungen entgegennimmt und zusammen mit den Zentschöffen Bussen für kleinere Strafsachen verhängt. Zu den Zent Bleseberg gehören die Orte Frickhofen, Dorchheim, Dorndorf, Mühlbach, Waldmannshausen und vielleicht Langendernbach sowie die ausser Sleide, der heutigen Schlaudermühle, bereits vor 1500 wieder verlassenen Siedlungen Auenrode, Gernbach und Oberludenhausen.

  2. Die Grafschaft Diez ist auf dem Boden des fränkischen Niederlahngaues entstanden. Der Graf ist ursprünglich ein Beamter des Königs für einen bestimmten Bezirk und verwandelt diese Stellung im Zeitalter des Lehnswesens zum erblichen Anspruch auf die Ausübung der hoheitsrechtlichen Befugnisse in seinem einstigen Verwaltungsbezirk. Bereits 1220 fällt der Graf von Diez als Gerichtsherr im Reckenforst die Urteile in Namen des Königs und gleichzeitig aus eigner Gewalt. Die Grafschaft Diez umfasst einen erheblichen Teil des Westerwaldes und Taunus und hat auch nach der Abspaltung der Seitenlinie in Weilnau bis ins vierzehnte Jahrhundert ihre Überlegenheit über die jüngeren Triebkräfte bewahrt. Das Geschlecht der Grafen stirbt 1388 mit Gerhard VI im Mannesstamm aus.

  3. Der Zent Lahr liegt zum Teil ausserhalb des Elbgebietes und vereinigt die Orte, Lahr, Ellar, Hausen, Fussingen, Waldernbach, Hintermeilingen und die verlassenen Siedlungen Oberndorf und Gralshofen.

  4. Der Zent Niederzeuzheim wird von den Dörfern Niederzeuzheim, Oberzeuzheim, Hangenmeilingen, Heuchelheim und Thalheim gebildet. Die frühere Zugehörigkeit Hadamars ist bei seiner kirchlichen Bindung an Hadamar bis 1326 möglich.

  5. Der Zent Elsoff ist älter als die Pfarrei gleichen Namens, die vor 1477 nicht bestanden hat und wahrscheinlich erst eine Schöpfung des sechszehnten Jahrhunderts ist. Er umfasst die Dörfer Elsoff, Mittelhofen, Oberrod und Westernohe sowie die verlassenen Siedlungen Holzmennigen, Struthausen und Winden. Es ist möglich, dass vor dem vierzehnten Jahrhundert auch das Gericht Neunkirchen, das in den Besitz der Herrn von Merenberg gelangt, mit den Dörfern Neunkirchen und Hüblingen sowie die verlassenen Siedlungen Brechelbach und Enkenbach zu den Zent Elsoff gehört.

  6. Ellar ist eine Landesburg mit militärischen Sicherungsaufgaben für die gesamte Bevölkerung. Daraus erklärt sich euch die Abgabe des Wächtergeldes an den Landesherrn. Ursprünglich wird die Wachmannschaft abwechselnd von den verschiedenen Dörfern gestellt. Als sich jedoch aus den Fortschritten der Kriegstechnik ergibt, dass nur noch Berufssoldaten mit ausreichender Schulung und Bewaffnung zur Verteidigung eignen, erhebt der Landesherr eine Steuer für den nicht mehr geforderten Wachtdienst und besoldet damit eine besondere Burgmannschaft. Die ungegliederte Form der Burg Ellar, ihre einfache Bauweise und ihre Lage in der Nähe des Schnittpunktes zweier alter Höhenstrassen schlissen auf ein hohes Alter. Allerdings wird die Allanaher Mark, die in den Lorscher Annalen zum Jahre 806 genannt wird, heute nicht mehr als Ortsangabe für Ellar gedeutet. Das Adelsgeschlecht von Ellar ist erst für das späte vierzehnte Jahrhundert urkundlich erwähnt und steht in keiner Beziehung zu der Burg, die dem jeweiligen Landesherr gehört.

  7. Die Hoheitsrechte bestehen in der hohen und niederen Gerichtsbarkeit, der Ausübung der Jagd und des Fischfanges, der Nutzung des Waldes, den Bannmühlen bei Ellar und Niederzeuzheim sowie den öffentlichen Abgaben von Grundeigentum und dem Recht der Dienstforderung für das Wohl der Gesamtheit. Das Gericht über Leib und Leben wird für die vier Zenten an Landstein bei Ellar abgehalten, wo auch die Urteile vollstreckt werden.

  8. 1400 Mark entsprechen nach dem Getreidewert heute etwa 250 000 DM. Die Kaufsumme für den Hof der Abtei Eberbach in Hadamar ist im Jahre 132o nur um 50 Mark geringer gewesen, ein Beweis dafür, dass die landesherrlichen Einnahmen nicht sehr hoch gewesen sind.

  9. Die Grafschaft Nassau-Hadamar wird seit der Bruderteilung im Jahre 1303 durch Emich 1. aufgebaut. Sie besteht zunächst ausser einem Bündel grundherrlicher Rechte aus den Zenten Driedorf sowie den Vogteien zu Ems, Isselbach, Weidenhahn und Dietkirchen. 1320 Kauft Emich den Hof der Abtei Eberbach in Hadamar, lässt 4 Jahre später dem Ort Stattrechte erteilen und erreicht 1332, dass Diez auf die Gerichtshoheit über Hadamar und sämtliche weiteren Ansprüche verzichtet. 1327 hat Emich einen Hof Siegfrieds von Lindau in Niederzeuzheim gekauft. Seine Tochter Jutta heiratet den Grafen Gerhard von Diez, und sein Sohn Johann erwirbt die Herrschaft Eller und erhält 1356 einen Hof in Waldernbach als Lehn des Bistums Worms. Er gerät jedoch besonders nach seiner Niederlage, gegen die Ritter von Hatzfeld bei Löhnberg in eine wirtschaftliche Dauerkrise und ist zu umfangreichen Verkäufen, Verpfändungen und Lehnsbindungen gezwungen. Nach seinem Tode 1365 erweist sein schwachsinniger Sohn sich als regierungsunfähig, und um das verwaiste Erbe entbrennt ein langwieriger Erbstreit.

1348
Reinhard von Westerburg, seine zweite Gattin Kunigunde von Merenberg und sein Sohn Johann übertragen Gottfried von Bicken ihr Gut in Dorchheim als Mannlehn (1).
(Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte Bd. I S. 159)

  1. Das Lehnsgut gliedert sich in zwei grosse Gruppen. Das Mannlehn verpflichtet den Träger zur allgemeinen militärischen Gefolgschaft, wobei jedoch zeitliche, örtliche und persönliche Einschränkungen möglich sind. Das Burglehn dagegen verlangt nur die Teilnahme an der Verteidigung einer bestimmten Burg. Die Lehnserteilung wird bei Sterbefällen durch den Lehnsherrn oder für den neuen Lehnsträger wiederholt. Das Lehnsgut kann nur dann von dem Lehnsherrn wieder zurückgenommen werden, wenn der Lehnsträger seine Pflicht verletzt oder wenn das belehnte Geschlecht im Mannesstamm ausstirbt. In manchen Fällen wird jedoch auch die weibliche Nachkommenschaft als lehnsberechtigt anerkannt.

1359
Infolge der Sühnebedingung (1) nach einer verlorenen Fehde (2) des Herrn Johann von Westerburg wird der Zehnten in Dorchheim zu einem hessischen Lehn für die Herrschaft Westerburg (3).
(Lehmann, Geschichte und Genealogie der Dynasten von Westerburg S. 73)

  1. Es kommt häufig vor, dass der Verlust einer Fehde zur Verwandlung von Eigengut in Lehnsgut führt. So muss Andreas von Dernbach (vermutlich Langendernbach, da Godebracht von Irmtraut und Adolf von Willmenrod zu seinen Verbündeten gehören) nach einer Fehde gegen Nassau-Dillenburg im Jahre 1356 einen Teil seiner Güter als Lehn anerkennen.

  2. Zu den gesetzlich anerkannten Rechtsformen bei Streitigkeiten des Adels gehört die Fehde. Sie ist ursprünglich eine Selbsthilfe der Sippe, da die öffentliche Gewalt nur bei Verbrechen eingreift. Über diese privatrechtliche Befugnis hinaus, die durch bestimmte Formen geregelt ist, werden die Fehden jedoch innerhalb der lockeren Staatswesen des Mittelalters zu ausgesprochenen Machtkämpfen von politischer Bedeutung. Allerdings ist die eindeutige militärische Niederlage selten das Ziel und fast nie das Ergebnis. Meistens handelt es sich mehr oder minder um Raubzüge gegen die Speicher und Ställe in den Dörfern des Gegners, die von Totschlag, Brand und Verwüstung begleitet sind. Als Ausgangspunkt und Rückhalt dient Burg. Schutzmittel der nichtadeligen Bevölkerung sind die Landgräben und Landhecken, feste Friedhofe und Wehrkirchen wie in Lahr. Die blutigen Verluste bei tatsächlichen Zusammenstössen bewaffneter Streitkräfte, die nur in Ausnahmefällen hundert Mann übersteigen, sind dementsprechend sehr gering.

  3. Johann von Westerburg, der älteste Sohn Reinhards, tritt jährliche Einkünfte in Höhe von 40 Gulden Hessen ab und empfängt sie als Mannlehn zurück. Der Gulden ist eine Goldmünze in Wert von etwa 2 Mark während des vierzehnten Jahrhunderts. Die Kaufkraft des Geldes für Getreide ist durch den Mangel an Arbeitskräften nach dem Grossen Sterben 1349 gesunken, sodass der Doppelzentner Roggen bei guter Ernte 2/3 Gulden einbringt. In Hungerjahren wie etwa 1367 erreicht der Preis die sechsfache Höhe.

1366
Die Brüder Rudeger, Enolf (1) Friedrich und Hilliger von Offheim (2) tragen ihren Besitz zu Dorchheim Herrn Dietrich und Friedrich von Runkel (3) als Lehn auf, weil sie das frühere Lehnsgut in Niedertiefenbach verkauft haben.
(May, Territorialgeschichte des Oberlahnkreises S. 307)

  1. Mit Enolf von Offheim stirbt das Geschlecht 1423 im Mannesstamm aus, und der Hof zu Dorchheim fällt an den Lehnsherrn zurück

  2. Bereits 1327 schenkt Albero von Offheim der Abtei Marienstatt seine Besitzungen in Thalheim.

  3. Die Herrn von Runkel haben einen gemeinsamen Ahnherrn mit den Herrn von Westerburg. Sie besitzen ausser dem Gebiet an der Lahn von ursprünglich sehr mässigem Umfang noch zusammen mit ihren Verwandten verschiedenartige Ansprüche in der Herrschaft Zum Westerwald und befinden sich aus diesem Grund in häufigen Streitigkeiten mit den Grafen von Nassau. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Geschlecht im frühen Mittelalter mit der Reichsvogtei über die freie Bauernschaft Rotzenhahn betraut gewesen ist. Im Raum der Herrschaft Eller haben die Herrn von Runkel und Westerburg im Jahre 1270 Dienstleute in Hintermeilingen, Fussingen und Waldernbach, die Burggerechtigkeit in Hintermeilingen und ein Gut in Oberrod, später noch Zehntrechte in Dorchheim, Waldmannshausen, Eller, Gralshofen, Waldernbach, Lahr, Hintermeilingen, Elsoff, Westernohe und Hüblingen, ferner Höfe in Dorchheim, Dorndorf und Hintermeilingen sowie verschiedene Abgaben zu Elsoff. Arnold Scherre von Waldmannshausen ist 1393 - 1407 Burgmann, sein Sohn Arnold 1420/24 Amtmann in Runkel.

1367
Dorchheim gelangt nach der Auflösung Nassau-Hadamars (1) mit der Herrschaft Ellar als Heiratsgut der Gräfin Agnes von Diez (2) in den Besitz des Grafen Eberhard von Katzenelenbogen (3).
(Arnoldi, Geschichte der Oranien Nassauischen Länder und ihrer Regenten Bd. 1 S. 117 und Bd. II S. 81)

  1. Der der einzige Sohn Johanns von Nassau-Hadamar, Graf Emich, an Geistesschwäche leidet, beginnen die Verwandten einen langen und blutigen Streit um sein Erbe, Die beiden Hauptgegner sind Johann von Nassau-Dillenburg und Ruprecht der Streitbare von Nassau, der sich diesen Beinamen gründlich verdient hat. Mit ihren Auseinandersetzungen verbinden und kreuzen sich noch viele andere Gegensätze, sodass der Westerwald in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts zu einem Hexenkessel wirrer Fehden wird. Höhepunkte des Ringens, an dem 1388 auch Johann von Waldmannshausen teilnimmt, bilden im Elbtal der Sieg Johanns von Westerburg über Johann von Nassau-Dillenburg im Jahre 1370, die Niederlage Ruprechts vor den Mauern Hadamars im Jahre 1372 und der Überfall der Bürger Limburgs auf das Dorf Ellar in Jahre 1374.

  2. Die Zenten Lahr, Elsoff, Bleseberg und Niederzeuzheim, die in der Herrschaft Ellar zusammengefasst sind, bilden zunächst noch kein Kampfzie1 für die streitenden Parteien. Diez hat sich nämlich im Jahre 1337 den Rückkauf vorbehalten und nach dem Tode Johanns von diesem Recht Gebrauch gemacht. Vielleicht ist die Rückgabe auch schon früher erfolgt, da Graf Johann von Diez im Jahre 1363 mit den Amtleuten, Burgmännern und Dienern seines Bruders Gerhard bei Ellar den Grafen Johann von Nassau-Merenberg überfällt. Allerdings haben wohl die eigenen Kräfte bei der immer grösseren Geldnot des Grafen Gerhard für den Kauf nicht ausgereicht, und die Herrschaft geht daher als Heiratsgut seiner Schwester Agnes im Jahre 1367 an Eberhard von Katzenelnbogen über.

  3. Das Haus Katzenelenbogen gehört damals zu den reichsten Geschlechtern des Hochadels am Mittelrhein und hat besonders durch seinen starken Sinn für wirtschaftliche möglichkeiten im fo1genden Jahrhundert eine grosse Rolle gespielt. Eberhard, Wilhelm und Diether von Katzenelnbogen gehören zum Ritterbund vom Sterne, der gegen den Landgrafen von Hessen kämpft. Sie nehmen 1372 an dem Überfall auf Hadamar teil, weil sich Ruprecht, der Bundesgenosse Hessens, im Besitz der Stadt befindet. Graf Eberhard lässt sich im gleichen Jahre Stadtreche für Ellar erteilen, um den Hauptort der Herrschaft besser befestigen zu können.

1408
Dorchheim kommt unter doppelte Landeshoheit, da Katzenelenbogen zum Abschluss des Erbstreites (1) um Nassau-Hadamar die Hälfte der Burg und den dritten Teil der Herrschaft an Graf Johann von Nassau-Dillenburg überlässt (2).
(Arnoldi, Geschichte der Oranien Nassauischen Länder und ihrer Regenten Bd. I S. 113)
(Arnoldi, Miscellaneen aus Diplomatik und Geschichte S.)

  1. Katzenelnbogen wird an dem eigentlichen Erbfolgestreit unmittelbar beteiligt, als Anna von Nassau-Hadamar, die Tochter des Grafen Johann und Witwe Ruprechts, in Jahre 1391 den Grafen Diether heiratet. Aufs neue werden Verträge geschlossen und gebrochen, und der Streit findet auch nach den Tode Annas, die 1403 ihr Erbe an ihren Stiefsohn Johann verkauft, kein Ende. Ein Übereinkommen mit Dillenburg scheitert an der Weigerung Hessens, den Grafen Johann von Nassau-Dillenburg, seinen Erbfeind, in die Lehnsgemeinschaft für den Zenten Driedorf aufzunehmen. Zum Ausgleich für den Verlust des dritten Teils von Driedorf aus der Hadamarer Erbschaft erfolgt auf Grund eines Schiedsspruches des Erzbischofs von Mainz der Vertrag des Jahres 1408. Im gleichen Jahre schliessen die beiden Besitzer einen Burgfrieden zu Ellar, der in den Jahren 1416 und 1417 erneuert wird.

  2. Es findet keine Teilung des Gebietes, sondern nur der Einkünfte der Herrschaft Eller statt. Beide Grafen lassen ihre Belange durch besondere Amtsmänner vertreten. Die Grafen von Katzenelnbogen wohnen zur Jagdzeit häufig in der Burg Ellar, die also nicht, wie die Sage erzählt, durch die Bürger Limburgs zerstört worden ist. Der Burgfrieden stellt die Grenzen des Weichbildes der Burg fest, innerhalb dessen besondere Gesetze und Vorschriften für die Burgmänner geltend sind.

1461
Gilbracht von Schönborn (1) erhält von Gratf Johann von Nassau-Dillenburg jährlich 3 Gulden (2), die von seinem Besitz in Dorchheim und Langendernbach als Nachtsedel nach Ellar zu zahlen sind, als Hadamarer Burglehn.
(Nassauische Annalen Bd. III Heft 3 S. 19)
(Arnoldi, Miscellaneen aus Diplomatik und Geschichte S. 391)

  1. Das angesehene Geschlecht der Adeligen von Schönhorn hat sich auch im Gebiet der Grafschaft Diez ausgebreitet und hier eine jüngere Nebenlinie gebildet. Es ist später von Hessen mit einem Burgsitz und einer Wiese in Ellar belehnt, von Nassau-Dillenburg mit dem nassaui sehen Teil von 4 Malter Brotgetreide, die Ruf dem Gut zu Frickhofen als Abgabe für die Herrschaft Ellar lasten, und von Sayn seit 1452 mit einem früher eigenen Hof und Einer Wiese in Langendernbach. 1469 verpfändet, Gerhard, der Bruder Gilbrachts, der Pfarrei Niederzeuzheim vor dem Gericht in Frickhofen Zehnten und Güter zu Sleide. 1393 hat Heinrich von Schönborn der Kapelle zu Westerburg jährlich 2 Malter Roggen aus dem Zehnten zu Waldmannshausen geschenkt, den er in Pfandschaft besitzt.

  2. Das Münzwesen wird von neuen Geldeinheiten beherrscht. 1 Gulden hat 12 Turnose, 1 Turnos 2 Schilling. oder Albus, 1 Albus 12 Heller. Ausserdem wird noch nach Pfund Heller und nach Groschen gerechnet. 1 rheinischer Gulden, die häufigste Währungseinheit, ist 1,2 Pfund Heller. 1 Doppelzentner Roggen kostet in teuren Zeiten wie 1416 1,33 Gulden, normal nur die Hälfte und hei sehr guter Ernte wie 1467 0,33 Gulden. Allgemein gesehen hat der Gulden in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts folgende Kaufkraft: 1 fettes Schwein, 2 Hämmel, 3o Pfund Speck, 15o Liter Bier, 3 Mesten Salz, o,25 Pfund Safran, 7 Paar Bundschuhe, 7000 kleinere Nägel oder 1 Kleud Wolle. Der Tagelohn eines Maurers beträgt etwa 0,12 Gulden. Der Münzumlauf hat sich bedeutet erhöht, sodass zahlreiche Sachabgaben in Geldsteuern verwandelt werden können. .

  3. Es ist unbekannt, um welche Art von Abgehen es sich bei dem Nachtsedel handelt. Im Allgemeinen sind zwei Gruppen zu unterscheiden: 1. Grundherrliche Abgaben wie Erb- oder Zeitpacht und 2. öffentlich-rechtliche Steuern wie die Bede. Der Zehnten nimmt eine Sonderstellung durch seine kirchliche Herkunft ein. In der Herrschaft Ellar sind folgende Abgaben üblich: Masthafer für die Waldweide der Schweine in Höhe von 2 bis 3 Mesten, 2 Rauchhühner und 1 Meste Rauchhafer von jedem Haus, Futterhafer für die Reisepferde des Landesherrn, das Medum als 6. Garbe für neugerodete Flächen, der Weidhammel, das Besthaupt (nicht in Ellar selbst) für Leibeigne beim Todesfall, die Mai- und Herbstbede als Grundsteuer, der Bannwein als Getränkesteuer, das Wachtgeld, das Hundebrot für die Jagdhunde des Landesherrn, Wiesenhafer für die Weide auf Waldwiesen, Vogthafer für die Angehörigen der Vogtei Rotzenhahn‚ die fast über den ganzen Westerwald als besondere Siedlungsschicht verstreut leben, ferner Herbergsgeld für den Verzicht des Landesherrn auf sein Herhergsrecht, Zölle, Zehnten, Gerichtskosten, Stolgebühren und Auszugsgeld. Dazu kommen noch als persönliche Arbeitsleistung die Frohndienste.

1469
Der Erzbischof von Trier ordnet an, dass ein Zisterzienser der Abtei Marienstatt seinen Wohnsitz in Dorchheim nimmt und wöchentlich eine heilige Messe dort liest (1).
(Vogel, Beschreibung des Herzogthums Nassau S. 758)

  1. Die Abtei Marienstatt scheint ihre Patronatspflicht, für die Abhaltung des Gottesdienstes in der Nikolauskirche zu sorgen, nicht in vollem Umfang erfüllt zu haben. Das Klosterwesen hat damals überhaupt einen bedenklichen Tiefstand an manchen Orten erreicht, und die Mönche selbst geben durch ihren Lebenswandel auch in Dorchheim zeitweise ein böses Beispiel. So wird der Vorwurf erhoben, dass ein Pater 4 uneheliche Kinder von 4 verschiedenen Müttern dort gehabt habe. Die Klöster verlieren vielfach an Ansehn unter dem Volke und damit an Lebenskraft, sodass die Benediktinerinnen 1495 Seligenstatt bei Seck aufgeben müssen. In vielleicht noch grösserem Umfang ist der Weltklerus dem Verfall ausgesetzt. Häufig werden mehrere Pfarrstellen in einer Hand vereinigt, und der Inhaber bestellt für die Seelsorge an den einzelnen Orten Vikare, die ohne die notwendige Befähigung sind und in äusserst dürftigen Verhältnissen leben. Die Anordnung für einen ordnungsgemässen Gottesdienst in Dorchheim ist jedoch neben dem Mangel an wirklichen Priestern auch dadurch zu erklären, dass sich gerade die Orden nicht immer der geistlichen Befehlsgewalt des Erzbischofs fügen wollen und daher bei passender Gelegenheit an ihre Gehorsamspflicht erinnert werden.

1471
Philipp Satoris aus Dorchheim studiert an der Universität Erfurt (1).
(Nassauische Annalen Bd. XXXIII Heft 1 S. 68)

  1. Durch die ausgebreitete Kenntnis des antiken Kulturgutes wird es in gebildeten Kreisen zur Sitte, den Familiennamen, der sich allgemein durchsetzt, in die lateinische oder griechische Sprache zu übersetzen oder wenigstens eine fremde Endung anzufügen. Philipp Satoris heisst Philipp Sohn des Sämannes. Er oder sein Vater müssen in irgendeiner Beziehung zur Abtei Marienstatt gestanden haben, da ein Bauer oder gar Tagelöhner die Kosten des Studiums nicht aufbringen kann.

1472
Hermann von Weiher zu Nickendich (1) Besitzt als Erbschaft seiner Gattin Else Walthote von Waldmannshausen (2) einen Hof zu Dorchheim (3).
(Arnoldi, Miscellaneen aus Diplomatik und Geschichte S. 58)

  1. Das Geschlecht stammt aus dem Rheinland, und sein Seitenzweig zu Waldmannshausen hat nur kurzen Bestand. Erwähnt wird nur 1437/58 Hermanns gleichnamiger Sohn. Der Hof zu Dorchheim ist vielleicht derselbe, den später die Adeligen von Reifenberg, in Besitz haben.

  2. Die Adeligen von Waldmannshausen gehören zu den ältesten Geschlechtern im Elbtal und verfügen über ausgedehnten Besitz und zahlreiche Lehnsleute. Sie trennen sich im dreizehnten Jahrhundert in die beiden Linien der Waltboten und Scherre, zu denen im vierzehnten Jahrhundert noch die Spricasten kommen. Ihre Burg in Waldmannshausen, von der noch geringe Trümmer übrig sind, ist die einzige wirkliche Burg, im Elbtal. Im Gebiet der Herrschaft Ellar haben sie Besitzungen in Waldmannshausen, Mühlbach, Langendernbach, Hausen, Dorchheim, Neunkirchen, Oberzeuzheim, Waldernbach Hintermeilingen und Gernbach. Weitere Güter und Rechte liegen vom Rheingau bis zur Sieg verstreut. Ferner sind sie Obermärker des Gernbacher Markwaldes und Burgmänner in Ellar. Als Waltboten für die Zenten der Grafschaft Diez nördlich der Lahn haben sie für die öffentliche Sicherheit zu sorgen, die Urteile vollstrecken zu lassen und bei Fehden den dritten Teil der Aufgebote zu stellen und den dritten Teil der Unkosten zu tragen. Ihre Rechte aus diesen Amt bestehen ausser dem Besitz des Waltbotenhofes in Waldmannshausen in dem dritten Teil verschiedener Abgaben (Grafenhafer, Fastnachtshühner, Weidhämnel, Bede, Zoll in Malmeneich), dem dritten Teil von Strafgeldern und Enteignungen und dem dritten Teil der Frohndienste, die den Grafen als Landesherrn zustehen, Die Hauptlinie stirbt 1472 aus, die Spricasten erlöschen kurz nach 1540, und der letzte Zweig verdorrt im Jahre 1653.

  3. Die Bezeichnung Hof bedeutet vielfach nur einen grösseren Landbesitz in einer Gemarkung, ohne dass es sich um einen geschlossenen Wirtschaftsbetrieb mit eigenen Gebäuden gehandelt hat. Es ist daher auch schon wegen der Nähe sehr wahrscheinlich, dass die Waltboten und ihre Erben die Ländereien zu Dorchheim von Waldmannshausen aus bewirtschaftet haben.

1479 a
Die Belehnung Gilbrachts von Schönborn mit dem Nachtsedel des Besitzes in Dorchheim wird erneuert.
(Nassauische Annalen Bd. III 3. 19)

1479 b
Nach dem Tode des Grafen Philipp gelangt die Grafschaft Katzenelnbogen durch die Erbtochter Anna an die Landgrafschaft Hessen, und Dorchheim steht nun unter nassauischer und hessischer Landeshoheit (1).
(Arnoldi, Geschichte der Oranien Nassauischen Länder und ihrer Regesten Bd. III Abt. 1 S. 80)

  1. Das Elbtal ist für die Verhältnisse des Mittelalters ein politisches Spannungsfeld von hohem Rang. Hier hat Diez den Weg zum hohen Westerwald gefunden, Hadamar gibt dem Gebiet für kurze Zeit ein eigenes Gesicht, und Molsberg und Merenberg suchen von Westen und Osten her Fuss zu fassen. Westerburg und Dillenburg erkennen schon früh seinen Wert als Brücke zum Lahntal, dann baut sich Katzenelnbogen ein Tor zum Westerwald, und Kurtrier errichtet Trittsteine für seinen weiteren Vormarsch nach Osten. Jetzt ergreift Hessen die günstige Gelegenheit, um einen Keil zwischen die beiden Hauptteile der nassauischen Besitzungen zu treiben, und verschärft damit die bereits erbliche Spannung der wetteifernden Häuser. Als im Jahre 15oo der einzige Sohn des Landgrafen Heinrich von Hessen-Marburg aus seiner Ehe mit der- Erbtochter Anna stirbt und sein Vetter von Hessenkassel die gesamte Erbschaft übernimmt, sucht Nassau-Dillenburg ihm sofort die Grafschaft Katzeneinbogen in weitem Umfang streitig zu machen und besonders im Raume der alten Grafschaft Diez freie Hand zu gewinnen. Die Belange des Landgrafen werden von 1501 bis 1509 durch den Amtmann Manfred von Waldmannshausen in der Herrschaft Ellar vertreten.

1480
Die Gadelheimer Mühle bei Dorchheim (1) wird als Getreide- und Ölfruchtmühle betrieben (2).
(Abel, das Mühlengewerbe in Nassau-Hadamar und Diez S.88)

  1. Die günstige Lage an der alten Strasse, die hier den Lasterbach überquert, macht es wahrscheinlich, dass die mittlere Gadelheimer Mühle zuerst entstanden ist. Die Erlaubnis zum Bau einer Mühle erteilt damals der Landesherr, der das Hoheitsrecht über sämtliche Gewässer besitzt. Man unterscheidet Privatmühlen, die meist einem Kloster oder, wie in Waldmannshausen, einem Adeligen gehören, und landesherrliche Bannmühlen mit Erb- oder Zeitpacht, denen die Einwohner eines bestimmten Bezirkes als Zwangskundschaft zugewiesen sind.

  2. Das Mahlgut besteht aus sämtlichen Getreidearten, auch der Hafer, deren Mehl hauptsächlich in Form von Brei und Suppen genossen wird. Öl wird aus Leinsamen und Bucheckern gepresst, während der Anbau von Raps noch nicht üblich ist. Das Getreide wird nicht gewogen, sondern in Maltern und Mesten gemessen. Im Hadamarer Gebiet zerfällt der Malter in 12 Mesten und wiegt bei Erbsen 156 kg, bei Linsen 158 kg, bei Weizen und Roggen 156 kg, bei Gerste 120 kg und bei Hafer 34 kg.

1506
Graf Johann von Wied (1) überschreibt seiner Gattin neben anderen Einkünften einen Hof in Dorchheim (2) als Witwengut.
(Fischer, Geschlechtsregister der uralten deutschen reichsständischen Häuser Isenburg, Wied und Runkel 5. 256)
(Reck, Geschichte der gräflichen und fürstlichen Häuser Isenburg, Runkel und Wied S. 143)

  1. Die Herrn von Runkel haben im Jahre 1462 die Grafschaft Wied geerbt, nach der sie von da ihren Namen tragen. Zu ihren Lehnsleuten gehören auch im sechszahnten Jahrhundert noch die Adeligen von Waldmannshausen. Mant Leyb von Waldmannshausen ist bis 1505 mit einem Viertel des Zehnten in Waldernbach belehnt, und Wilhelm von Waldmannshausen ist 1549 Amtmann in Runkel. Als Eigentum der Grafen von Wied-Runkel in der Herrschaft Ellar werden 1506 Zehntrechte in Lahr, Ellar, Waldernbach, Hintermeilingen, Elsoff und Westernohe, Höfe zu Dorchheim, Dorndorf und Hintermeilingen sowie Abgaben in Elsoff angegeben, Dietrich von Runkel ist 1424/31 Pfarrer zu Lahr ohne Aufenthaltsplicht am Pfarrort, lässt also die Pfarrei durch einen Vikar verwalten.

  2. Es handelt sich wahrscheinlich um den gleichen Hof, der nach dem sterben der der Adeligen von Offheim an den Lehnsherrn Runkel zurückgefallen ist.

1518
Des Georgsstift in Limburg (1) vertauscht seine beiden Höfe zu Dorchheim (2) an die Abtei Marienstatt für Höfe in....
(Vogel, Beschreibung des Herzogthums Nassau S. 756)
(Struck, Quellen I Bd. 80?)

  1. Das Georgsstift zu Limburg ist eine Gründung der alten Grafen des Niederlahngnus und nicht wie Dietkirchen oder Gemünden in früher Zeit der Mittelpunkt einer ausgedehnten Grosspfarrei gewesen, sondern entspricht seiner Stellung nach mehr einem echten Kloster.

  2. Es ist unbekannt, auf welche Weise und zu welcher Zeit das Stift seinen Besitz in Dorchheim erhalten hat. Beide Höfe tragen noch im neunzehnten Jahrhundert besondere Namen nach den Heiligen Georg und Leonhard. Ferner besitzt das Stift bereits seit 94o Grundbesitz in Niederzeuzheim mit einem besonderen Hofgericht und seit 1059 in Westernohe und Brechelbach sowie im dreizehnten Jahrhundert das Patronatsrecht in Neunkirchen Kraft Sprikasten von Waldmannshasen gehört 1533 zu seinen Lehnsleuten.

1520
Der Romanische Grundbau der Nikolauskirche erhält durch spätgotische Stilteile eine veränderte Gestalt (1).
(Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Bd. III S.?)
(Luthmer, Die Eau- und Kunstdenkmäler des Lahngebietes Bd. III S. 163)

  1. Eine tiefe Flachdecke verband die romanischen Fenster in den Dachstuhl, und an ihre Stelle treten auf der Südseite zwei Spitzbogenfenster mit feingegliedertem Masswerk. Vielleicht ist damals auch das nördliche Seitenschiff, vor dem die vermauerten Arkaden zeugen, abgetragen worden, Das Abendrot der späten Gotik schimmert über den herrlichen Schnitzereien der beiden Eichensäulen. Seltsame Vögel und geflügelte Drachen zeichnen sich im Flachrelief ah, ein Pelikan öffnet in selbstloser Hingabe seine Brust, ein Narr stellt lauschend seine Eselsohren hoch, ein teuflisches Untier schaut warnend auf die Gläubigen herab, und im Schlunde des Walfisches wendet sich Jonas um Hilfe nach dem Altare hin. Zu dieser Welt der Symbole bilden zwei lebenswahre Köpfe mit Filzhut und gesch1itztem Barett einen wirkungsvollen gegensetz und lassen von ferne das junge Kunstgefühl der Renaissance ahnen.

Um 1530
Nach dem Übertritt der beiden Landesherrn (1) beginnt die Verbreitung der Lehre Luthers unter der Bevölkerung der Herrschaft Ellar (2).
(Nassauische Annalen Band 58 8 S. 74)
(Steubing, Kirchen und Reformationsgeschichte der Oranien Nassauischen Lande S.)
(Wagner, Geschichte der Regentenfamilie von Nassau-Hadamar Bd. I S.)

  1. Seit vielen Jahren bereits erschallt der Ruf nach einer Reformationder Kirche an Haupt und Gliedern, und die bedenklichen Missstände unter den Klerus aller Rangstufen geben auch allen Anlass dazu. Seit Huss den Scheiterhaufen in Konstanz bestiegen hat, gelangen die Menschen nicht mehr zur sehe. An allen Ecken und Enden sprudeln die Quellen einer kirchenfeindlichen Haltung und vereinigen sich, als Martin Luther zum Kampf gegen den Papst antritt, zu einem Strom von ungeahnter Stärke. Aber die Träger der neuen Gedanken stammen aus den gebildeten Kreisen des Adels und mehr noch des jungen Bürgertums, und ihr Angriff verliert auf dem Lande an Stosskraft, wenn eine Führung mit klaren Ziel fehlt. Diese Voraussetzung ist in der Herrschaft Ellar nicht gegeben, die beiden Landesherrn Wilhelm von Nassau und Philipp von Kessen stehen in erbitterten Streit, und obwohl sie sich frühzeitig der neuen Lehre zuwenden, einigen sie sich nicht über eine feste Form zur Ausbreitung unter den gemeinsamen Untertanen. Beide erlassen für ihre Länder eine protestantische Kirchenordnung, aber keiner kann seine Ansichten im Gebiet der Doppelherrschaft durchsetzen.

  2. Für einen Anschluss der Bauern an die protestantische Bewegung aus eigenem Antrieb fehlt eine wesentliche Voraussetzung, nämlich eine zwingende Verbesserung ihrer sozialen Lage. Fast sämtliche Güter des Adels und der kirchlichen Körperschaften sind in der Herrschaft Ellar keine Eigenbetriebe, sondern sie befinden sich in Zeit- oder sogar Erbpacht. Da die Bevölkerung durch die verschiedenen Pestwellen seit 1349 in ihrem Wachstum gehemmt ist, so besteht durchaus keine Landnot. Das geht ganz klar draus hervor, dass mindestens l0 Siedlungen, die um 1300 bestanden haben, bis zum Beginn der Reformation wieder verlassen worden sind: Auenrode Sleide, Oberludenhausen, Gernbach Oberndorf, Gralshofen Enkenbach, Brechelbach, Holzmennigen und Winden. Ausserdem zählt Frickhofen als grösster Ort in Jahre 1566 nur 65 Häuser, also wenig mehr als 300 Einwohner. Ferner sind auch die öffentlichen Abgaben nur sehr gerine, sodass Dillenburg um 1520 keins 40 Gulden reine Einnahmen aus seiner Kellerei Ellar hat. Auch die Stellung der Hörigen jeder Art ist von dem Begriff der Sklaverei weit entfernt, und es kommt sogar vor, dass sich am Ausgang des fünfzehnten Jahrhunderts adelige Frauen in die Leibeigenenzahl der Burg Ellar eintragen lassen, diese günstige Lage des Bauerntums, des Fehlen einer gebildeten bürgerlichen Schicht und der Hemmschuh der Doppelherrschaft verhindern eine rasche Ausbreiturig der protestantischen Anschauungen. Dagegen haben die Adeligen von Waldmannshausen schon früh die alte Kirche verlassen. Wahrscheinlich hat Manfred von Wa1dmannshausen, der hessischer Amtmann in Ellar ist und 1525 als Vertreter des Landgrafen bei den Unruhen in Limburg Einblick in die neue Gedankenwelt bekannt, als erster in seiner Familie den Übertritt vollzogen. 1567 erklärt sich die Äbtissin Liebmuth von Waldmannshausen mit der Einführung der Reformation im Kloster Gnadenthal einverstanden, und 1563/70 lehrt Johannes von Waldmannshausen an der Hochschule in Marburg die Grundsätze des neuen Glaubens.




 Quellenangabe im Überblick:

 
Roth, Ferdinand Wilhelm Emil (1853-1924): Geschichtsquellen des Niederrheingaus Bd. III (1880)